16. Opferforum des Weißen Rings in Berlin
Staatliche Opferhilfe oft ein "Verschiebebahnhof"
Opfer von Gewalt und Kriminalität brauchen schnelle Unterstützung aus einer Hand
Mainz (ots)
"Wir müssen weg von den Zuständigkeitsfragen, weg von Ablehnungen, die aus Zuständigkeiten herrühren", so Dr. Wolf Weber, der Bundesvorsitzende des Weißen Rings beim 16. Opferforum der bundesweiten Opferschutz-Organisation. "Wenn ich als Opfer einer Straftat mit vier oder fünf Stellen verhandeln muss, dann ist das nicht mehr zumutbar. Opferhilfe muss aus einer Hand kommen und die Probleme eines Kriminalitätsopfers in ihrer Gesamtheit betrachtet werden."
Man dürfe nicht aus Kostengründen an jemanden anderen verweisen, in der Hoffnung, dass dessen Haushalt noch nicht leer sei. Das Opfer dürfe dadurch kein zweites Mal zum Opfer werden, so Dr. Wolf Weber. Es ist kein Spielball der Behörden, die nach Einsparmöglichkeiten suchen. Hier setzte auch der Senator des Inneren von Berlin, Dr. Ehrhart Körting, an, der über Maßnahmen der Polizei zum Belastung reduzierenden Umfang mit Gewaltopfern referierte.
Auftrag des 16. Opferforums des Weißen Rings war es, Politik, Medizin und Justiz eine übergreifende Diskussion zu ermöglichen. Experten aus den verschiedenen Bereichen diskutierten an zwei Tagen in Berlin zu psychischen Folgen für Opfer von Gewalttaten. Die rund 120 Teilnehmer waren sich einig, dass lange Wartezeiten und die geringe Zahl psychotraumatologisch ausgebildeter Therapeuten die Probleme der Opfer von Kriminalität und Gewalt noch zusätzlich verschärfen. "Veraltete Psychotherapie-Richtlinien behindern in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung eine effektive Therapie", so Prof. Dr. Günther Deegener, Vorsitzender des Fachbeirats Medizin/Psychologie des Weißen Rings.
Bevor Angebote endlich bereitgestellt werden können, rangeln die Ämter um ihre Zuständigkeiten in der Erbringung von Leistungen. Gerade in Zeiten, in denen Einschnitte im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung an der Tagesordnung sind, muss sich die gesetzliche Opferentschädigung als umfassender Anspruch erweisen. Statt dessen dominiert hier wie dort der Kampf der Geschädigten um die Gewährung der notwendigen Leistungen. "Ein einziger Ansprechpartner, der einen Fall ganzheitlich beurteilen kann und soll, muss sich durch eine menschliche Größe und nicht durch eine hervorragende Verwaltungspraxis auszeichnen", bekräftigte der ehemalige Landesminister Dr. Wolf Weber.
Nur zehn Prozent der rund 204.000 anspruchsberechtigten Opfer stellten im vergangenen Jahr einen Antrag nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). "Die Übrigen bleiben Opfer fehlender Aufklärung", erklärte der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, Hartmut Kilger. Wer sein Recht sucht, stößt oft auf eine äußerst restriktive Handhabung der Versorgungsverwaltung. Nur 42 Prozent der Antragsteller wurden von den Behörden als Opfer anerkannt.
Das Opfer einer Straftat trägt die Beweislast. Hier entstehen zusätzliche Belastungen der Opfer, die nach Meinung der Tagungsteilnehmer durch eine frühzeitige Intervention und fundierte Behandlung vermieden werden sollen. "Dabei ist das Versorgungsamt nach einer Gewalttat sofort zuständig und muss entgegen der bisherigen Praxis ohne Rücksicht auf einen endgültigen Beweis auch Hilfe leisten", klärte Dr. Walter Schmitt, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht und Vorsitzender des Fachbeirats Sozialrecht des Weißen Rings, auf.
Aus den Diskussionsbeiträgen ergeben sich folgende Anforderungen für den Umgang mit Opfern:
- Das OEG und insbesondere die Bedeutung seelischer Tatfolgen müssen besser bekannt gemacht werden.
- Gerade von Seiten der Polizei, der Staatsanwaltschaften und Gerichte sowie der Versor-gungsämter müssen die Opfer stärker als bisher über ihre Rechte und Möglichkeiten aufgeklärt werden.
- Bundesweit muss die Möglichkeit zu frühzeitiger psychotraumatologischer Beratung und Intervention geschaffen werden.
In rund 400 Außenstellen der einzigen bundesweit tätigen Opferschutz-Organisation engagieren sich rund 2.600 ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für die Opfer von Gewalt und Kriminalität. In jährlich vielen zigtausenden Stunden stehen die Helferinnen und Helfer des Vereins den Geschädigten mit Rat und Tat zur Seite und geben ihnen persönliche Zuwendung. Die Hilfen des Weißen Rings reichen vom menschlichen Beistand über Hilfestellung im Umgang mit den Behörden, Begleitung zu Gerichtsterminen, der Gewährung von Rechtsschutz bis hin zu finanziellen Zuwendungen in tatbedingten Notlagen. Jährlich veranstaltet der Weiße Ring ein Opferforum, um Experten aus verschienen Bereichen die Möglichkeit zur Diskussion zu geben.
Die Mittel für seine Arbeit erhält der Weiße Ring allein aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Zuwei-sungen von Geldbußen sowie testamentarischen Verfügungen. Staatliche Zuschüsse nimmt der Verein nicht in Anspruch.
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