Die Entwicklung des Arbeitsmarktes im September 2000 sowie in den alten und in den neuen Ländern seit der Wiedervereinigung
Knapp 100.000 Arbeitslose weniger - Teil 11/11
Nürnberg (ots)
Stabilisierung und erste Erholung (1994 bis 1995)
Dem "Vereinigungsschock" folgte eine kurze Zeit der Stabilisierung und ersten Erholung. So hat sich die Zahl der Erwerbstätigen von 1993 bis 1995 wieder um knapp 300.000 auf 6,53 Mio erhöht. Wesentliche Triebkraft dieses Prozesses war die starke Expansion der Bauwirtschaft, die weiterhin von massiver öffentlicher Förderung angekurbelt wurde, sowie die Ausweitung des privaten Dienstleistungssektors; aber auch Gastgewerbe und Einzelhandel wiesen - wohl vor allem aufgrund zunehmender geringfügiger Beschäftigung - Zuwächse auf. Dagegen hielt die Schrumpfung der Erwerbstätigkeit im Verarbeitenden Gewerbe und im öffentlichen Dienst an. Für die Beschäftigungsexpansion dürfte auch eine Rolle gespielt haben, dass sich die Zahl der in Beschäftigungschaffenden Maßnahmen Tätigen von 1993 bis 1995 um rd. 50.000 auf rd. 310.000 erhöht hat.
Gleichzeitig hat sich das Kräfteangebot wohl nur noch wenig verringert. Denn inzwischen waren die Abwanderungen aus den neuen Ländern kaum größer als die Zuwanderungen und der Pendlersaldo änderte sich praktisch nicht. Verhaltens- und demografische Komponente dürften zusammengenommen leicht negativ gewesen sein.
Abnahme des Kräfteangebotes und Anstieg der Erwerbstätigkeit bedeuten, dass sich das unbeschäftigte Erwerbspersonenpotenzial verringert hat. Von diesem Rückgang entfiel jedoch nur ein relativ kleiner Teil auf die Arbeitslosigkeit; so ist die Zahl der Arbeitslosen von 1993 bis 1995 um 102.000 auf rd. 1,05 Mio zurückgegangen, nachdem sie bereits 1992/93 um 21.000 gesunken war. Wesentlich stärker hat die sog. Stille Reserve in Maßnahmen abgenommen. Vor allem die Zahl der Vorruheständler (Vorruhestands- und Altersübergangsgeldempfänger) hat sich von 1993 bis 1995 wegen des Auslaufens dieser Maßnahmen stark reduziert (-0,48 Mio auf 0,37 Mio), aber auch die der Teilnehmer in Maßnahmen beruflicher Vollzeitweiterbildung (-92.000 auf 219.000).
Erneute Verschlechterung und seitdem keine Wende (1996 bis 2000)
Ab 1996 verschlechterte sich der Arbeitsmarkt erneut, und seitdem ist keine entscheidende Wende eingetreten. So hat sich die Zahl der Erwerbstätigen von 1995 bis 1997 wieder um rd. 150.000 auf knapp 6,4 Mio verringert und danach kaum erhöht. Für das Jahr 2000 wird sie auf gut 6,4 Mio geschätzt.
Die wesentlichen Gründe für die anhaltenden Schwierigkeiten sind: Die überdimensionierte Bauwirtschaft, die zwischendurch die Lokomotive des Aufholprozesses war, schrumpft nach Einschränkungen der Subventionen entsprechend stark. Auch der öffentliche Dienst baut weiter Personal ab. Dass sich das Verarbeitende Gewerbe inzwischen kräftig belebt und zuletzt auch bei der Beschäftigung zugelegt hat, stellt - wegen seiner geringen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung - kein ausreichendes Gegengewicht dar. Der Dienstleistungsbereich expandiert ebenfalls, aber auch nicht stark genug. Veränderungen im Niveau von Beschäftigungschaffenden Maßnahmen sind dagegen alles in allem kaum noch von Einfluss gewesen. Jedenfalls hat sich - nach Rückgängen in den Jahren 1996/97 - die Zahl derart Beschäftigter wieder auf schätzungsweise rd. 250.000 im Jahr 2000 eingespielt (darunter seit 1997 Strukturanpassungsmaßnahmen Ost für Wirtschaftsbetriebe: ca. 55.000).
Im gleichen Zeitraum, also von 1995 bis 2000, hat sich das Kräfteangebot weiter verringert. Dabei dürfte die geringere Erwerbsneigung, vor allem wegen einer höheren Bildungsbeteiligung junger Menschen, inzwischen eine ähnlich große Rolle spielen wie die demografische Komponente. Anders als in den ersten Jahren nach der Wende spielen Wanderungen und Veränderungen des Pendlersaldos kaum noch eine Rolle.
Nachdem sich das Kräfteangebot vermutlich stärker verringert hat als die Erwerbstätigkeit, hat wohl auch das unbeschäftigte Erwerbspersonenpotenzial abgenommen. Allerdings ist die Zahl der Arbeitslosen von 1995 bis 1998 um 328.000 auf 1,375 Mio gestiegen und seitdem um ca. 16.000 auf ca. 1,36 Mio im Jahr 2000 gesunken. Dagegen hat sich die Stille Reserve in Maßnahmen noch stärker ermäßigt. Ausschlaggebend dafür ist, dass die Zahl der Vorruheständler (einschl. Leistungsempfänger gem. § 105c AFG bzw. § 428 SGB III) wesentlich kleiner geworden ist (ca. -0,3 Mio auf ca. 0,1 Mio); aber auch die Teilnahme an Vollzeitmaßnahmen beruflicher Weiterbildung hat abgenommen (ca. -85.000 auf ca. 135.000).
Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung krankt der Arbeitsmarkt in den neuen Ländern immer noch. Weitere Hilfen sind also von Nöten, insbesondere zur Schaffung von Arbeitsplätzen am ersten Arbeitsmarkt (Ausbau der Infrastruktur, Förderung von Bildung, Forschung und Entwicklung, Zuschüsse für gering qualifizierte Tätigkeiten usw.). Erforderlich ist aber auch der Abbau von Kostennachteilen sowie von Wettbewerbs- und Produktivitätsrückständen aus eigener Kraft. Solange z.B. die ostdeutschen Lohnstückkosten durchschnittlich gut 10 Prozent über denen des Westens liegen, kann ein breiter selbsttragender Aufschwung nicht erwartet werden.
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