Haufe aktuell: Einkommensgrenzen im Kindergeldrecht: Verfassungswidrig?
Freiburg (ots)
Gerade in wirtschaftlich harten Zeiten arbeitet der eigene Nachwuchs häufig mit, um über einen eigenen finanziellen Beitrag die Schul- oder Hochschulausbildung mitfinanzieren zu können. Kindergeld, darüber hinaus zahlreiche steuerliche Vergünstigungen für Kinder, z. B. die Kinderzulage nach der Eigenheimförderung, gibt es für den Nachwuchs ab Vollendung des 18. Lebensjahrs leider nur dann, wenn die von Seiten des Kindes selbst erzielten Einkünfte und Bezüge nicht über den jährlich per Gesetz festgelegten Einkommensgrenzen liegen. Zu diesen Einkünften zählen alle steuerpflichtigen Einkünfte, etwa aus Beschäftigungsverhältnissen, aber auch Mieteinnahmen abzüglich Werbungskosten, Zinserträge abzüglich des Sparer-Freibetrags/Werbungskosten-Pauschbetrags, Ertragsanteile von Renten etc.
Das Problem: Es wird nicht das "zu versteuernde", wesentlich niedrigere Einkommen zugrunde gelegt, sondern im Wesentlichen der Bruttoverdienst, allenfalls je nach Einkunftsart etwas reduziert um Werbungskosten. Unberücksichtigt bleiben also z. B. auch jegliche Sozialversicherungsbeiträge, eigene Aufwendungen für Versicherungen, bis hin zu Zuzahlungen im Rahmen von außergewöhnlichen Belastungen, etwa für Arzneimittel etc.
Werden diese, jährlich etwas angepassten Einkommensgrenzen nicht beachtet, kommt auf die Eltern/Erziehungsberechtigten eine Zahlungsforderung über die Kindergeldkasse des Arbeitsamtes zu, unabhängig von den gravierenden Auswirkungen in steuerlicher Hinsicht bei der Steuererklärung der Eltern. Nach der Rechtsprechung, zuletzt sogar des Bundesfinanzhofes, wurden diese starren Einkommensgrenzen bislang zum Nachteil vieler betroffener Eltern und Elternteile gebilligt.
Für eine alleinstehende Mutter mit einem in Ausbildung befindlichen Sohn, dessen Ausbildungsvergütung das Jahr über knapp 80 EUR über der Jahresverdienstgrenze lag, wurde nach Überprüfung dieser Verwaltungspraxis ein Musterverfahren in Gang gebracht. Das Bundesverfassungsgericht nimmt die Sache offenbar sehr ernst, denn im Rahmen der Verfassungsbeschwerde steht nun die Anhörung der Bundesregierung, des Bundestags, des Bundesrats, des Bundeskanzleramtes und aller Landesregierungen, bis hin zu den Ministerien.
Rechtsanwalt G. Geckle, Fachanwalt f. Steuerrecht, Freiburg, hierzu: "Die verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Gesetzesregelung betrifft natürlich nicht nur Auszubildende, sondern insbesondere volljährige Schüler/Studenten, die in wirtschaftlich harten Zeiten auch etwas zur Entlastung des Familienhaushalts beisteuern müssen und deren Eltern man nicht nachträglich noch zur Rückzahlung des Kindergeldes zwingen kann, nur weil die teilweise nicht einmal bekannten starren Einkommensgrenzen vielleicht nur um wenige Euro überschritten sind. Wenn man dazu weiß, dass ein Azubi selbst nicht unerhebliche Sozialversicherungsbeiträge zahlt, Studenten im Semesterjob auch zumindest Rentenversicherungsbeiträge, so sollte man doch das tatsächliche Netto zugrunde legen. Denn sonst bevorzugt man ja einen wohlhabenden Sohn mit einem großen Immobilienbesitz, der im direkten Vergleich seine Mieteinnahmen etwa durch die Abschreibung, Werbungskosten etc. erheblich runterdrücken kann."
Die Anhörung der Beteiligten soll nach der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts bis Mitte Juni 2004 abgeschlossen werden. RA Geckle: "Verlangt man wirklich beim eigenen Nachwuchs, dass er etwa ab Oktober eines jeden Jahres unabhängig von seiner eigenen wirtschaftlichen Situation zum Rechenstift greift, einen Nebenjob aufgibt, damit die Eltern nicht in die Kindergeldfalle hineinrutschen? Man kann besorgten Eltern eigentlich kaum noch erklären, dass der Einkünftebegriff im Kindergeldrecht eben wieder anders ist als das steuerpflichtige Einkommen, das jegliche sonst berücksichtigungsfähigen Sonderausgaben, auch z. B. gezahlte Kirchensteuer, bis hin zu Eigenaufwendungen des Nachwuchses, wie Arzneimittelzuzahlungen, völlig außer Betracht lässt. Muss man wirklich erst eine große Steuerreform abwarten, um einen nachvollziehbaren Einkommensbegriff zu erhalten?"
Tipp: Die Haufe Mediengruppe empfiehlt, auf jeden Fall gegen Rückforderungsbescheide Einspruch einzulegen und den Ausgang dieses interessanten Musterverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht abzuwarten. Die Einkommensgrenzen von 7.680 EUR für 2004 (7.188 EUR für das Jahr 2003) gelten für die zum Haushalt zählenden Volljährigen in Ausbildung. Nicht auszuschließen ist, dass das Bundesverfassungsgericht auch allgemein über das Kindergeldrecht hinaus zur Berücksichtigungsfähigkeit von eigenen Aufwendungen zum Einkommensbegriff bei Hinzuverdienstgrenzen z. B. für Frührentner, Hinweise geben wird.
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