Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Biotechnologie Retter wertvoller Kunst: Neue Sanierungsmethode entwickelt
Hannover (ots)
Expertenteam rückte in dreijährigem Modellprojekt Schäden auf Fresken zu Leibe - Unterstützung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt
Moderne Biotechnologie kann wertvolle Kunstschätze für die Nachwelt retten. Das ist das Ergebnis eines dreijährigen Modellprojektes, zu dem sich mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (Osnabrück) von über 800.000 Mark Biotechnologen, Geomikrobiologen, Denkmalschützer und Restauratoren zusammengetan hatten und das heute in Hannover der Öffentlichkeit präsentiert wurde. An den Fresken der Stiftskirche in Wildeshausen und des Klosters Wienhausen konnten die Spezialisten beweisen, dass Kasein umwelt- und gesundheitsverträglich von Fresken und Wandmalereien entfernt werden kann, ohne dass sie Schaden nehmen. Als revolutionäres Wundermittel war dieses Milcheiweiß in den 50er Jahren zur Konservierung aufgetragen worden. Doch mit den Jahren rissen die Schutzschichten nicht nur, sie blätterten ab und mikrobieller Befall "schluckte" die Farben.
Viele der mittelalterlichen Wandmalereien in norddeutschen Kirchen seien nach dieser Methode restauriert worden, erläuterte Dr. Peter Königfeld vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. In Italien sei dieses "Wundermittel" bereits erfolgreich eingesetzt worden. Doch habe man die Witterungsverhältnisse in Norddeutschland nicht miteinkalkuliert: Die Schutzschichten seien aufgeplatzt, abgeblättert und hätten zum Teil die Farben mit in die Tiefe gerissen. Königfeld: "Der Schaden war größer als zuvor. Auch Schimmelpilze und Bakterien gediehen prächtig."
Die Denkmalschützer seien ratlos gewesen, was nun mit dem offenbar schädlichen Kasein und den letzten Resten der Wandmalereien passieren sollte. Mit aggressiven, gesundheits- und umweltschädlichen Chemikalien habe man dem Kasein auf keinen Fall zu Leibe rücken wollen. Stattdessen sollte ein schonendes umweltverträgliches Verfahren entwickelt werden, das es Restauratoren gestattet, ohne Atemschutz- und Schutzkleidung unter gesundheitsverträglichen Bedingungen arbeiten zu können.
Das Prinzip des nun entwickelten biotechnologischen Verfahrens funktioniert so wie das Beseitigen eines Eiweißflecks in der Wäsche: "Durch Einsatz bestimmter Enzyme, die z. B. auch in herkömmlichen Waschmitteln verwendet werden, wird Kasein schonend in seine Bestandteile zerlegt, die dann aus den Malereien vorsichtig herausgespült werden können", erläutert Prof. Thomas Scheper, Universität Hannover. Das entwickelte Verfahren beruhe darauf, dass spezielle Kunststoffkissen, die mit Wasser gefüllt sind und die Enzyme auf der Kissenoberfläche enthalten, auf die Wandmalereien gedrückt werden und dort eine Weile einwirken. Sie lösen dann das Kasein auf, die Reststoffe werden mit dem Wasser in die Kissen aufgesaugt.
Diese leicht vermittel- und erlernbare Methode ermögliche das Abnehmen wandmalereizerstörender Kaseinschichten und bringe keine Belastung von Umwelt oder Personal mit sich, so Dr. Stefanie Heiden, Leiterin des Referats Biotechnologie der Umweltstiftung. Auf diese Weise leiste moderne Biotechnologie einen Beitrag zur Rettung unbezahlbarer Kunstschätze.
Das Projekt wurde in Zusammenarbeit des Instituts für Technische Chemie der Universität Hannover, des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, Hannover, der Arbeitsgruppe Geomikrobiologie der Universität Oldenburg sowie der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden, Studiengang Restaurierung, durchgeführt. Besonders vorteilhaft sei auch die Beteiligung der Sartorius AG, Göttingen sowie der dänischen Enzymfirma Novo Nordisk, Bagsværd, gewesen, die sich in Form geldwerter Leistungen an dem Projekt beteiligt haben.
"Die Eigenbeteiligung der Unternehmen hat sich einmal mehr als positiv für die Umsetzbarkeit einer innovativen Projektidee erwiesen", betont Dr. Heiden. Mit Spannung dürften sich nun nicht nur Kunstliebhaber auf den Einsatz dieses neu entwickelten Verfahrens im Denkmalschutz freuen. Gleichzeitig eröffneten sich im Bereich der Geräteentwicklung für diese Technik neue Geschäftsfelder für kleine und mittlere Unternehmen, der bevorzugten Klientel der Umweltstiftung.
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