Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
"Körpersprache" der Bäume gelernt und "Lehrmeister Natur" verstanden
Deutscher Umweltpreis 2003: Einzelwürdigung Prof. Dr. Claus Mattheck
Osnabrück/Karlsruhe (ots)
"Durch seine Forschung in über 15 Jahren und die weltweite allgemeinverständliche Verbreitung seiner Methoden und Ergebnisse ist Prof. Mattheck ein Vorreiter in der Bionik geworden, die tatsächlich die Natur als Lehrmeister hat. Er hat als Physiker die mechanische Belastbarkeit von Bäumen am Beispiel ihrer Bruch- und Standfestigkeit entschlüsselt und daraus Entwicklungen und Computerprogramme geformt, die heute im Automobilbau, aber auch in Waschmaschinen, Hüftprothesen und Zahnimplantaten Anwendung finden. Claus Mattheck verkörpert den modernen Umweltschutz, der sich der Nachhaltigkeit im ursprünglichen Sinne verpflichtet und neue Wege aufdeckt." - Mit diesen Worten würdigte heute Dr. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), das wissenschaftliche Gesamtwerk von Prof. Dr. Claus Mattheck (55), Leiter der Abteilung Biomechanik am Forschungszentrum Karlsruhe. Er ist einer von zwei Trägern des Deutschen Umweltpreises 2003 der DBU.
Matthecks überragende Leistung bestehe darin, die Lücke zwischen Technik und Natur überbrückt zu haben, betonte Brickwedde in einer DBU-Pressemitteilung. Er sei ein Vorreiter der Bionik, die Biologie und Technik vereinigt und biologische Prozesse in technische Produkte überführt. So habe er bei seinen Forschungsarbeiten entdeckt, dass Bäume bei hoher mechanischer Belastung durch Einwirkungen der Natur wie Stürme zu einem auf Anpassungsfähigkeit beruhenden Wachstum neigten, um auf diese Weise die Last gleichmäßig zu verteilen.
Dieses Prinzip habe er durch Computerprogramme auf technische Bauteile übertragen, wodurch mechanische Spannungen gleichmäßig verteilt und gefährliche Konzentrationen vermieden werden könnten. So entstünden mit geringstem Materialeinsatz langlebige und ultraleichte Bauteile, wie sie an allen bewegten Bauteilen Verwendung finden sollten. Er wolle begreiflich machen, dass von der Formgestaltung und der Werkstoffauswahl für Bauteile und Alltagsgegenstände deren Lebensdauer abhänge. Durch einfache Regeln für den Konstrukteur wolle er die erhöhen und damit seinen Beitrag zur Abkehr von der Wegwerfgesellschaft leisten.
Ehemalige Schüler von Mattheck arbeiten heute als Entwicklungsingenieure bei großen Automobilherstellern, optimieren Fahrzeugteile an neuen Automobilprototypen und formen ein Design nach der Natur, die immer die optimale Lösung parat halte. So wiesen Motoraufhängungen trotz einer Materialeinsparung um 50 Prozent eine erhöhte Belastbarkeit auf. Insgesamt seien von Mattheck und seinem Team über 100 Lizenzen für Software bzw. Patente an Auto- und Maschinenbauer sowie Hersteller von Chemieanlagen vergeben worden. Die vielfältigen Gewichtseinsparungen im Fahrzeugbau kämen dabei der Insassensicherheit und der Verringerung des Spritverbrauchs zugute. Seine Methoden hätten zu zahlreichen konkreten Umsetzungen in der Industrie geführt - das beweise zum Beispiel die Optimierung von Komponenten im Fahrzeugbau der Adam Opel AG für die Modelle Corsa und Vectra.
Mattheck habe allerdings nicht nur vom Baum gelernt, sondern gebe ihm auch etwas zurück. Bei seinen vielen detaillierten Betrachtungen des Wachstums sei ihm aufgefallen, dass Bäume eine besondere Körpersprache hätten. Bestimmte Auffälligkeiten in Form und Gestalt wie etwa die äußere Erscheinung der Rinde oder ungewöhnliches Dickenwachstum interpretiere er als Signale, die positive wie negative Rückschlüsse auf die Verkehrssicherheit von Bäumen zuließen. Die konsequente Anwendung dieser inzwischen weltweit verbreiteten Methode könne zum Erhalt vor allem der in städtischem Grün gelegentlich zu früh gefällten Bäume beitragen, falsche Baumpflege vermeiden, Beiträge zu einer nachhaltigen Forstwirtschaft liefern und somit einen direkten Nutzen für die Umwelt leisten. Behördenentscheide würden vereinfacht, der Rechtsfriede gesichert und die Zahl unvorhersehbarer Baumunfälle deutlich eingegrenzt. Brickwedde: "Unsinnige Vorschriften, wie z. B. das Fällen sicherer Randbäume neben Überlandstromleitungen in den USA, werden dadurch überflüssig. Die Methode ist mittlerweile von der Rechtsprechung voll akzeptiert."
Besonderen Wert habe Mattheck immer auf die Vermittlungsarbeit zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gelegt. Eine seiner wichtigsten Zielgruppen seien Kinder und Jugendliche, die sich einer für sie zunächst scheinbar uninteressanten Materie durch - inzwischen weltweit publizierte - Kinderbücher und Cartoons auf eingängige Weise nähern könnten. Dadurch leiste er einen wichtigen Beitrag zur Erziehung der jungen Generation, die lerne, dass Natur und Technik nicht gegeneinander stünden, sondern in Einklang gebracht werden könn-ten. Brickwedde: "Aus dieser Generation werden die Ingenieure der Zukunft hervorgehen."
Mattheck zähle zu den wenigen Wissenschaftlern, die es in verschiedenen Fachrichtungen zu weltweiter Anerkennung der jeweiligen Fachwelt gebracht hätten. Ihm sei dieses Kunststück in zwei höchst unterschiedlichen Bereichen gelungen, dem Maschinenbau und der Baumpflege. Begnügt mit der Fachwelt allein habe sich Mattheck nie. Brickwedde: "Ihm war und ist es immer ein Bedürfnis, so tief wie möglich hinabzusteigen aus den Sphären der hohen Wissenschaft und seine hochkomplexen Erkenntnisse in eine Literatur zu fassen, die ohne die trockenen Lehrsätze der Mechanik und ihre Endlosformeln bei Forstwirten, Richtern, Ingenieuren und Kindern gleichermaßen ankommt." (Lead 1.002 Zeichen mit Leerzeichen, Resttext 4.425 Zeichen mit Leerzeichen)
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