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Kokainschmuggel: Zollfahnder warnen vor Sicherheitslücken - NDR/WDR Recherche

Hamburg (ots)

Zollfahnder warnen nach Informationen von NDR und WDR seit Jahren vor Sicherheitslücken bei der Verwahrung beschlagnahmter Drogen. Internen Dokumenten zufolge stellte der Zoll in Bremen und Hamburg im vergangenen Jahr fest, dass "auf der Täterseite die Gewaltbereitschaft deutlich zunimmt". Deshalb sei mit Angriffen auf den Zoll zu rechnen, um wieder an die sichergestellten Drogen zu gelangen. Da die Banden "zunehmend überlegener" bewaffnet seien, fordern Zollfahnder eine bessere Ausstattung - bisher wohl ohne Erfolg. Dabei ist die Gefährdungslage offenbar aktuell. Den Recherchen zufolge wurde in der vergangenen Woche der Zoll Hamburg über Erkenntnisse belgischer Kollegen informiert. Demnach sollen bewaffnete Täter aus Frankreich planen, Hamburger Zöllner zu überfallen, um 480 Kilogramm sichergestelltes Kokain an sich zu bringen.

In den Hafenstädten Hamburg und Bremerhaven stellen die Behörden seit Jahren immer größere Kokainfunde sicher. Laut Lagebild des Bundeskriminalamtes (BKA), das am Mittwoch vorgestellt wurde, hat sich die Sicherstellungmenge bei Kokain in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren verdoppelt - im Jahr 2023 waren es rund 43 Tonnen. Das BKA warnt zudem vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft der Drogenbanden. Nach derzeitiger Rechtslage dürfen sichergestellte Drogen grundsätzlich nicht unmittelbar vernichtet werden, sondern müssen bis zur rechtskräftigen Verurteilung der Täter als Beweismittel aufbewahrt werden. Nach Informationen von NDR und WDR lagert der Zoll in Norddeutschland viele Tonnen sichergestelltes Kokain, der Schwarzmarktwert ist enorm. Die geheimen Lagerorte sind offenbar nur durch Alarmanlagen gesichert.

Die Zollfahndung Hamburg hatte die Generalzolldirektion (GZD) laut der internen Dokumente bereits 2022 auf eine wachsende Gefährdung ihrer Fahnder aufmerksam gemacht. Die GZD leitet bundesweit die Aufgaben des Zolls, sie untersteht dem Bundesfinanzministerium. In der Regel sind Zollfahnder sehr früh vor Ort, wenn Großmengen Kokain sichergestellt werden. Sie tragen allerdings nur Handfeuerwaffen. Maschinenpistolen tragen derzeit nur wenige Kräfte im Zoll. Diese müssen nun bei jedem Kokainfund im Hamburger Hafen angefordert werden. In einem Schreiben hatte die Zollfahndung in Hamburg deshalb um eine Ausstattung mit Maschinenpistolen, Panzerwagen und mit starken Schutzwesten gebeten, die auch dem Beschuss mit automatischen Waffen standhalten. Dies sei notwendig, da die Banden zunehmend auch mit Schnellfeuerwaffen ausgestattet seien. Auch in einem zollinternen Workshop im vergangenen Jahr zu "Gefährdungslagen bei Großsicherstellungen" von Drogen sollen Zöllner aus Hamburg und Bremerhaven Sicherheitslücken beklagt und unter anderem gefordert haben, Helme anzuschaffen. Sie sollen zudem bemängelt haben, dass Zöllner an der Containerprüfanlage im Hamburger Hafen überhaupt keine Waffen tragen würden.

Bis heute wurden die Forderungen der Zollfahnder offenbar nicht erfüllt, heißt es aus Zollkreisen. Bislang soll nur der Bedarf an automatischen Waffen vom Ministerium abgefragt worden sein. Auf Anfrage wollte sich weder die GZD noch das Bundesfinanzministerium zu konkreten Fragen äußern. Die GZD erklärte, man erarbeite gemeinsam mit den Zollbehörden vor Ort ein Lagebild. Hierbei würden auch "Fragen der Anpassung organisatorischer Abläufe, erforderlicher Führungs- und Einsatzmittel, der technischen Ausstattung und baulicher Maßnahmen behandelt". Sofern dies notwendig sei, fordere man weitere Kräfte, unter Umständen auch Spezialeinheiten an. Die GZD und das Bundesfinanzministerium stünden in einem "konstruktiven Austausch".

Frank Buckenhofer von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sagte NDR und WDR, Bundesfinanzminister Christian Lindner müsse dafür sorgen, dass der Zoll auch mit Maschinenpistolen und weiterer Ausrüstung gestärkt werde. Der Gewerkschafter forderte das Bundesjustizministerium dazu auf, entsprechende Gesetze, die die Aufbewahrung von sichergestellten Drogen regeln, schnellstmöglich zu ändern. "Es muss künftig ausreichen, dass wir Stichproben nehmen, Gutachten anfertigen und ein Richter das Ganze bestätigt". Dagegen sagte das Bundesjustizministerium auf Anfrage von NDR und WDR, man sehe derzeit "keine hinreichenden Gründe oder empirischen Belege dafür, die eine Gesetzesänderung zugunsten einer frühzeitigen Vernichtung verbotener Substanzen nahelegen würden".

Mehr zu der NDR und WDR Recherche im ARD-Mittagsmagazin, am 27.06.2024, ab 13 Uhr

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