Kölnische Rundschau: zu Energiepolitik/Atomkraftwerke
Köln (ots)
Die Aufschieber
RAIMUND NEUSS
Merkel klar im Vorteil: Was die Kanzlerin schon lange sagt, das wispert jetzt auch das heimliche Gewissen der SPD den Genossen ins Ohr. Erhard Eppler regt an, den Atom-Ausstieg aufzuschieben. Zugegeben: Das vorzeitige Abschalten von deutschen Reaktoren ist reine Symbolpolitik. Allenfalls wird die zu erwartende Menge an radioaktivem Abfall etwas verringert; dafür steigen Energiepreise und wohl auch der CO2-Ausstoß. Selbst die 126 Gramm Kohlendioxid pro Kilowattstunde Strom aus Uranspaltung, mit denen Umweltminister Gabriel rechnet, liegen unter den 300 bis 400 Gramm eines Gaskraftwerks.
Aber: Wer Probleme aufschiebt, löst sie nicht. In der Energiepolitik sind Entscheidungen für Jahrzehnte fällig. Die sollte man nicht entlang von Umfragen und aktuellen Preisspitzen treffen. CDU/CSU mit ihrem Gerede von der nur auf Zeit gewollten nuklearen "Brückentechnologie" lügen sich dabei ebenso in die Tasche wie Rote und Grüne mit ihrem Bekenntnis zum Ersetzen von Atomkraft durch - ja, was eigentlich? Wind und Sonne sorgen nicht wie Atomkraftwerke kontinuierlich für Strom. Das könnten Kohlekraftwerke tun, aber die sind angesichts der nationalen Seelenlage kaum durchsetzbar - obwohl das Ersetzen alter Kohleöfen durch neue mehr CO2 sparen dürfte als so mancher Windpark. Gaskraftwerke können Flauten beim Wind überbrücken, aber nun stellen wir fest, dass Gas und Öl knapp und teuer werden. Das war schon zur Regierungszeit von Gazprom-Fan Gerhard Schröder nicht anders zu erwarten.
2008 sollte den Bürgern endlich reiner Wein serviert werden. Wollen wir Atomstrom? Dann muss man sich bitte zu neuen Reaktoren bekennen. Oder wollen wir alternative Energieträger intensiv nutzen, ergänzt durch Gaskraftwerke? Auch dann ist ein Bekenntnis nötig, nämlich zu den Kosten für Forschung, Investitionen und den Rohstoff Gas. In jedem Fall müssen wir jetzt mit der Arbeit anfangen, anstatt uns mit Aufschub-Szenarien den ruhigen Schlaf zu sichern.
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