Kölnische Rundschau: Kölnische Rundschau Kommentar zur SPD
Köln (ots)
Keine andere Wahl
CLAUDIA LEPPING, Berlin, zu Gabriels Neuanfang
Die Wellen schlagen hoch, nachdem der künftige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel einigen Parteimitgliedern auf deren besorgte Frage nach der Zukunft der Sozialdemokratie geantwortet hat. Dabei macht Gabriel allein Ernst mit dem, was er angekündigt hat, seitdem er sich um den Posten des Vorsitzenden bewirbt - mit dem Neuanfang. Radikal kommt er daher, schonungslos, und, ja, mit drastisch-deutlicher Kritik an seinem Vorgänger Franz Müntefering.
Aber hat er eine andere Wahl? Die SPD ist bei unterirdischen 23 Prozent Wählerstimmen angelangt, verlor viele Mitglieder und steht bundesweit vor der Öffnung zur Linkspartei. Ga^briel muss die Partei neu aufstellen, muss wissen, was die Basis mitmacht; muss reden und zuhören und fein ziselieren, wie er Partei und Bundestagfraktion in einen neuen Einklang bringt. Die Zeiten des Müntefering'schen Absolutismus scheinen vorbei, nachdem der alte Kämpe mit dieser Strategie scheiterte.
20 Jahre Fehlentwicklung will Gabriel aufarbeiten - eine Menge Holz für einen, der eifrig mithackte, als die Lage noch nicht so mies war und er Seit' an Seit' mit Gerhard Schröder, Frank-Walter Steinmeier und Wolfgang Clement programmatische Reformen protegierte. Der 50-Jährige hat daraus offensichtlich seine Lehren gezogen: überzeugen statt überreden, lautet seine Devise. Opposition ist Mist? Münteferings Losung war einmal. Opposition ist vielmehr die letzte Chance der SPD, zu sich zu finden und wieder glaubwürdig zu werden.
Auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ist gefordert. Beide zusammen müssen das operative Geschäft der SPD neu gestalten: Die strategische Ausrichtung wird künftig von Präsidium und Vorstand geprägt, nicht mehr wie bisher von SPD-Ministern unter Kabinettsräson oder einer kleinen, nicht autorisierten Gruppe von Spitzenfunktionären. Die Partei muss von innen heraus politische Positionen und Gegenentwürfe zu Schwarz-Gelb entwerfen. Es gibt kein Wegducken mehr, keine Entschuldigung, nur die Festlegung auf eigene, sozialdemokratische Wege.
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