Kölnische Rundschau: Kölnische Rundschau Kommentar zur Vorratsdatenspeicherung
Köln (ots)
Bürger unter Verdacht
CLAUDIA LEPPING, Berlin, zur Vorratsdatenspeicherung
Die Verhandlung hätte locker in ein Fußballstadion verlegt werden können. Annähernd 35000 Kläger verlangen von den Bundesverfassungsrichtern in Karlsruhe, den Schutz ihrer Daten zu garantieren. Eine Massendemonstration gegen die massenhafte Speicherung von Verbindungsdaten - allein das ist ein Riesenerfolg für die Kläger. Und das sichere Indiz dafür, dass immer mehr Bürger sehr wohl in der Lage sind zu merken, wann es ihnen virtuell an den Kragen geht. Wann der Staat versucht, ohne jeglichen Verdachtsmoment Einblick in Angelegenheiten zu nehmen, die ihn schlicht nichts angehen. Der mündige Bürger dringt auf Selbstschutz. Zu Recht.
Es geht um nichts weniger als um Freiheit und Sicherheit; um den alten Streit also, wie viel Freiheit ein Staat zu opfern bereit ist für ein Mehr an Sicherheit. Law-and-Order-Politiker sind schnell bei der Hand, angeblich auf Nummer sicher zu gehen. Sie geben vor, alles tun zu wollen, um zu vermeiden, dass die Sicherheit gefährdet wird. Empört schwingen sie im Streit mit ihren Kritikern schließlich die Moralkeule, indem sie fragen: Sollen wir etwa irgendetwas unversucht lassen zu verhindern, dass es Tote gibt, wenn Terroristen Anschläge verüben?
Die Antwort lautet: Ja. Denn im Umkehrschluss kann und darf nicht alles erlaubt sein, um eine ohnehin nie zu erreichende 100-prozentige Sicherheit herstellen zu wollen. Es ist schlicht unmöglich, auf jede technische Erneuerung oder für jede krude Idee, die sich selbstverständlich auch Terroristen zu nutze machen, ein spezielles Verhinderungsgesetz zu verabschieden. Und: Der Mensch hat unantastbare Grundrechte.
Die Karlsruher Richter müssen das Telekommunikationsgeheimnis schützen - und auch vor dem Europäischen Gerichtshof dafür kämpfen. Denn es darf nicht sein, dass der Staat auf Vorrat und ohne begründbaren Verdacht Auskunft darüber erhalten soll, wer wann wie oft mit wem telefoniert oder in E-Mail-Kontakt steht. Wer das anstrebt, behandelt seine Bürger wie Straftäter - und legt die Grundlage zum Überwachungsstaat.
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