Der Feind des Feindes
Raimund Neuß zur Lage in der russischen Grenzregion Belgorod
Köln (ots)
Wie peinlich für Wladimir Putin und seine Entourage. Dabei braucht Moskau sich nicht zu wundern: Wer einen Krieg beginnt, macht sein eigenes Staatsgebiet völkerrechtlich zum Kriegsgebiet. Und die Ukraine macht ja nicht wirklich einen Hehl daraus, dass die Putin-feindlichen Milizionäre in der russischen Grenzregion Belgorod mit ihrer Billigung handelten. Auch die frühere Festlegung, gegen russisches Territorium dürften kein westliches Militärmaterial eingesetzt werden, weicht auf - die Angreifer waren mit US-Fahrzeugen unterwegs. Offenbar muss sich Moskau auch daran gewöhnen. Die russische Armee und der für die Grenzsicherung zuständige Geheimdienst FSB werden nun über den Schutz des eigenen Territoriums nachdenken müssen - wo Putins Truppen doch kaum in der Lage sind, 2400 Kilometer Grabensystem im okkupierten ukrainischen Gebiet mit Soldaten zu besetzen.
Und die Ukraine? Nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" duldet sie Leute in ihren Grenzen, die in einem EU- und Nato-Anwärter eigentlich nichts zu suchen haben: Abenteurer, die für einen spektakulären Stunt ihr Leben riskieren. Teilweise extremistische Freischärler. Im Vorfeld der ukrainischen Großoffensive mögen sie nützlich erscheinen. Langfristig können sie zur Gefahr werden.
Aber auch rational denkenden Politikern in Moskau - in der zweiten Reihe gibt es sie durchaus - sollte das schauerlich-ironische Spiel mit einer "Befreiung" des einstmals ukrainischen Bilhorod zu denken geben. Hier wurde ja als Propagandashow durchgespielt, was in anderen Teilen Russlands bitterer Ernst werden könnte. Im Lauf gerade der russischen Geschichte haben sich, siehe Belgorod, Grenzen immer wieder geändert - und damit ließe sich auch im Kaukasus oder in Zentral- und Ostasien jeder beliebige Krieg begründen. Nur allgemeine Anerkennung der völkerrechtlich gültigen Grenzen von 1991 gewährt auch Russland wirklich Sicherheit.
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