Labels für Leder und Schuhe im Check: Qualitätssiegel informieren unzureichend und haben klare Defizite im Bereich Arbeitsrechte und Sozialstandards
Berlin / Wien (ots)
Arbeitsrechte und soziale Kriterien werden von den gängigsten Leder- und Schuhsiegeln vernachlässigt. Die Schuh- und Lederbranche setzt die Anforderungen des deutschen Lieferkettengesetzes nicht ausreichend um, sondern versteckt sich hinter freiwilligen Siegeln. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Untersuchung der entwicklungspolitischen Organisationen INKOTA und Südwind Österreich.
"Verbraucherinnen und Verbraucher erfahren beim Kauf von Lederwaren und Schuhen nichts über die Arbeitsbedingungen und Sozialstandards. Ein eklatanter Mangel an Verbraucherinformation! Unternehmen werben mit Siegeln, die nicht verpflichtend sind. Noch ist ausreichend transparent, wie die selbstdefinierten Kriterien überprüft werden. Standards, die für sich Qualität beanspruchen, jedoch keine Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen sind kein ausreichender Beleg für die Erfüllung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht, die durch das deutsche Lieferkettengesetz seit Anfang des Jahres festgeschrieben ist. Die Politik muss umfassende Kriterien für Standards und Initiativen festlegen. Dazu zählen ambitionierte Kriterien bzgl. der Transparenz und Qualität sowie Integrität.", erklärte Berndt Hinzmann, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei INKOTA.
Zu den sechs untersuchten Qualitäts-Labels gehören das "Umweltzeichen Blauer Engel für Schuhe", "Oeko-Tex Leather Standard", "Naturleder IVN zertifiziert", das "Österreichische Umweltzeichen" sowie die beiden Business-to-Business- Zertifizierungssysteme "Leather Working Group (LWG)" und "Higg Brand and Retail Module (HiggBRM)". Lediglich zwei, der Blaue Engel und das Österreichische Umweltzeichen beruhen auf gesetzlichen Regelungen. Vier weitere Systeme orientieren sich bei der Auswahl ihrer technischen, ökologischen oder sozialen Kriterien vornehmlich an den Interessen der beteiligten Unternehmen. Die Mehrzahl der beschriebenen Zertifizierungssysteme legt ihr Augenmerk auf die Erfassung umwelt- und materialbezogener Indikatoren.
Keines der Siegel beinhaltet Angaben zu existenzsichernden Löhnen oder zum risikobasierten Ansatz von Sorgfaltspflichten. Auch bei sozialen Kriterien weisen die Zertifizierungen große Mängel auf: Bei der Leather Working Group, dem Oeko-Tex Leather Standard und HiggBRM sind sie für die Vergabe des Siegels nicht nötig. Bei der Leather Working Group ist es sogar möglich, ohne ein Sozial-Audit die Kennzeichnung "Gold-Medaille" zu erhalten. Der HiggBRM stellt überhaupt keine Informationen öffentlich, die Einblick in die Risikoanalyse und die Maßnahmen geben, die Unternehmen zur Minimierung oder Vermeidung der Risiken entlang der Lieferkette ergreifen.
"Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die strukturell bedingten Risiken für Leder- und Schuharbeiter*innen abzustellen. Anerkennung von selbst gemachten, intransparenten Industrie-Standards ist keine Lösung.", erklärt Berndt Hinzmann.
Der Decent Leather Label Check untersucht eine Auswahl von Qualitätssiegeln, auf die Unternehmen in der Unternehmensbefragung "Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis" verwiesen haben. Die Unternehmen gaben an, über sogenannte Business-to-Business-Standards die Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in Deutschland zu erfüllen.
Die Grundlage für die Analyse bilden öffentlich zugängliche Informationen. Das Fazit: "Wer ein Gütesiegel sucht, das umfassende nachhaltige Produktionsbedingungen kennzeichnet, wird bei den auf dem Markt bestehenden Zertifizierungen für Leder, Lederwaren und Schuhen nicht fündig", so Berndt Hinzmann, INKOTA. "Denn die zentralen Säulen der Nachhaltigkeit - soziale und ökologische Kriterien - sind nicht gleichwertig im Fokus und weisen Lücken auf."
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat die Lederproduktion als besonderen Risikosektor ausgewiesen. Bei der Produktion von Lederwaren und Schuhen sind massive Arbeitsrechtsverletzungen keine Seltenheit. Geringe Löhne, extrem lange Arbeitstage und kaum regulierte Arbeitsbedingungen sind die Regel. Dazu kommen ein intensiver Einsatz gefährlicher Chemikalien, mangelhafte Schutzausrüstung und weitreichende Umweltrisiken.
Pressekontakt:
Berndt Hinzmann, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte,
hinzmann@inkota.de , 0049 160 94 69 87 70
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