Internationaler Gerichtshof
USA enthalten ausländischen Angeklagten regelmäßig konsularische Rechte vor
Bonn (ots)
Beginn der Anhörung in Den Haag im Fall Deutschland gegen USA / Brüder LaGrand war konsularischer Beistand verweigert worden / Hinrichtung trotz Eilentscheidung des IGH / Mehr als 80 Gefangene aus 28 Nationen in den Todestrakten der USA
Am heutigen Montag beginnt vor dem internationalen Gerichtshof in den Haag die Anhörung im Fall der Klage der Bundesrepublik Deutschland gegen die USA. Die Bundesregierung hatte die USA wegen Verletzung der Wiener Konsularrechtskonvention im Fall der Brüder Karl und Walter LaGrand verklagt, die im Februar und März 1999 im US-Bundesstaat Arizona hingerichtet wurden.
Die Brüder LaGrand waren wegen eines vor 16 Jahren begangenen Mordes zum Tode verurteilt worden. Nach der Festnahme wurde ihnen das Recht vorenthalten, Kontakt zu den Behörden ihres Herkunftsstaates aufzunehmen. Das stellt nach Auffassung von amnesty international einen Bruch internationaler rechtlicher Verpflichtungen dar. So garantiert die Wiener Konsularrechtskonvention jedem im Ausland Inhaftierten das Recht, die Behörden des Herkunftslandes zu kontaktieren und diese um rechtlichen Beistand zu bitten. Obwohl die USA das Übereinkommen 1969 ratifiziert haben, versäumen es die lokalen Justizbehörden der USA regelmäßig, Inhaftierte mit ausländischer Nationalität auf ihr Recht hinzuweisen oder die Konsulate der Herkunftsländer zu informieren.
"Gerade wenn Inhaftierten die Todesstrafe droht, kann unverzügliche konsularische Hilfe den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Zumindest stellt rechtzeitiger konsularischer Beistand sicher, dass die Inhaftierten ihre rechtliche Lage verstehen, Mittel zu einer effektiven Verteidigung bekommen und vor diskriminierender Behandlung geschützt werden können", erklärt Karen Bagge, USA-Expertin der deutschen Sektion von amnesty international.
Trotz diplomatischer Bemühungen von deutscher Seite wurde Karl LaGrand am 24. Februar 1999 durch eine Giftinjektion hingerichtet. Eine Woche später reichte die Bundesregierung beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen das Vorgehen der USA ein und erwirkte einen Hinrichtungsstopp für Walter LaGrand. Die Gouverneurin von Arizona, Jane Hull, weigerte sich jedoch die Hinrichtung auszusetzen. Am 3. März 1999 wurde das Todesurteil gegen Walter LaGrand in der Gaskammer vollstreckt.
"Die Entscheidung der Gouverneurin von Arizona, sich über die Anordnung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag hinwegzusetzen, ist symptomatsich für den Umgang der US-amerikanischen Behörden mit internationalem Recht. Die Mißachtung der Rechte von ausländischen Gefangenen ist nur die Spitze des Eisbergs", so Karen Bagge.
Am 10. November wurde der Mexikaner Miguel Angel Flores im US-Bundesstaat Texas durch eine Giftinjektion hingerichtet. Damit wurden in Texas seit Beginn des Jahres bereits 35 zum Tode Verurteilte hingerichtet. Auch Flores wurde von den Behörden keine Gelegenheit gegeben mit dem Konsulat seines Herkunftslandes Kontakt aufzunehmen. Trotz internationaler Appelle lehnte es der texanische Gouverneur George W. Bush ab, Flores einen Hinrichtungsaufschub zu gewähren.
Seit Anfang 1997 sind in den Vereinigten Staaten allein zwölf ausländische Staatsangehörige hingerichtet worden. Nach Kenntnis von amnesty international befinden sich derzeit 88 zum Tode verurteilte ausländische Staatsbürger aus 28 Ländern in den USA in Haft. Die meisten von ihnen wurden bei ihrer Festnahme nicht über ihre durch die Konvention verbrieften Rechte informiert. Die US-Gerichte weigern sich immer wieder, mögliche Verstöße gegen die Konvention in Verfahren gegen ausländische Staatsbürger zu korrigieren.
"Die Entscheidung im Fall der LaGrand Brüder ist von besonderer Bedeutung, weil die USA hier zeigen müssen, ob sie bereit sind, sich an Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen zu halten und den Spruch des IGH zu akzeptieren, auch wenn er für die USA unbequem oder beschämend ist", betont Karen Bagge.
In einem Bericht vom Juli 2000 "Worlds Apart: Violations of the Rights of Foreign Nationals on Death Row - Cases of Europeans" stellt amnesty international fest: "Diese Fälle zeigen, dass viele Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wurde, nicht den internationalen Mindeststandards entsprechen. Häufig wurden die Angeklagten nicht angemessen juristisch vertreten oder es traten schwerwiegende Verfahrensfehler auf. Dazu kommt, dass in den USA die Todesstrafe auch gegen Täter verhängt wird, die zur Tatzeit minderjährig waren oder psychisch krank sind."
amnesty international erkennt das Recht und die Verantwortung von Behörden an, Straftatverdächtige vor Gericht zu stellen und zu verurteilen, wendet sich jedoch ungeachtet der Schwere eines Verbrechens vorbehaltlos gegen die Todesstrafe, weil sie gegen das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verstößt und gegen das Recht keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.
"Die Mehrheit aller Länder hat inzwischen erkannt, dass die Todesstrafe nicht abschreckt, sondern ein Irrweg ist. Sie verletzt das Recht auf Leben. Deutsche Politiker sind aufgefordert, ihr Engagement für die Abschaffung der Todesstrafe fortzusetzen - auch wenn es nicht um deutsche Staatsangehörige geht", unterstreicht Karen Bagge.
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