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Bayerisches Fernsehen
Samstag, 08.03.2003, 22.00 Uhr
Am Mittelmeer

München (ots)

Zwischen Wasser und Wüste 
Mit Gamal al Ghitani von Alexandria nach Kairo 
Film von Sybil Wagener 
Redakteur: Armin Kratzert
Dort, wo einst die größte Bibliothek der antiken Welt stand, am
Hafen von Alexandria, sitzt der große ägyptische Schriftsteller Gamal
al-Ghitani am Wasser und schaut über das Meer: Zu uns, nach dem
Westen, wo es wenig Kenntnis gibt vom Leben in muslimischer
Tradition. Und doch, meint al-Ghitani, sei es eine große und wichtige
Chance, den Kulturraum des Mittelmeers als geistiges Zentrum zu
begreifen, als Ort der Versöhnung und des Friedens.
Zwischen westlicher und orientalischer Kulturtradition zu
vermitteln, ist für den ägyptischen Schriftsteller Gamal al-Ghitani
tägliches Brot, denn in dem von ihm herausgegebenen Kulturmagazin
"Akbar al-Adab" versucht er dem Westen ein Fenster offenzuhalten; was
freilich in einer Zeit, in der die islamische und die christliche
Welt einen Konfrontationskurs steuern, besonders schwierig ist.
Historisch denkende Intellektuelle wie Gamal al Ghitani empfinden das
Mittelmeer nicht als Graben, der Orient und Okzident trennt, sondern
als Chance für einen nachbarschaftlichen Austausch, wie er über
Jahrtausende stattgefunden hat. Die Hafenstadt Alexandria
repräsentiert heute wieder die Einbindung Ägyptens in diesen
Kulturraum. Die legendäre Bibliothek, die in der Antike die
griechisch-römisch-orientalische Einheit symbolisiert hat und 48 n.
Chr. abbrannte, ist kürzlich in moderner Form wiedererstanden. Unter
einer übers Meer leuchtenden gigantischen Scheibe, die einen tief im
Meeresboden verankerten Hohlraum bedeckt, soll hier bald wieder die
gesamte Weltliteratur zur Verfügung stehen.
Gamal al-Ghitani ist 1945 in einem Dorf in Oberägypten geboren und
in Kairo, wohin seine Eltern bald nach seiner Geburt zogen,
aufgewachsen. Die Familie lebte in Al-Gamaliya, einem pittoreskens
Viertel Alt-Kairos, direkt neben dem Basar, wo Sackgassen einen fast
autarken Lebensraum voller Handwerksläden und kleiner Cafés bilden.
In "Der safranische Fluch" (1976) beschreibt er eine fiktive "Safran-
Allee" der frühen 50er Jahre, eine von den kleinen Dramen des Alltags
leidenschaftlich bewegte Nachbarschaft.
1966 wurde Gamal al-Ghitani wegen angeblicher Mitgliedschaft in
einer verbotenen marxistischen Organisation verhaftet und erlebte
Einzelhaft und Folter. Diese traumatische Erfahrung hat er in dem
Roman "Seini Barakat" (veröffentlicht 1975 in Damaskus) verarbeitet.
Dieses Buch gilt heute als eines der bedeutendsten arabischen Werke
der Moderne. In "Das Buch der Schicksale", seinem letzten ins
Deutsche übersetzten Werk (Beck 2000) schildert er Lebensläufe aus
dem Nachkriegs-Kairo, die in der Regel tragisch enden, weil Menschen,
die in tradierten Wertvorstellungen erzogen sind, sich dem Einfluß
des Westens allzu naiv ausliefern. Als Journalist stellt sich Gamal
al-Ghitani der Moderne, als Schriftsteller geht er immer mehr zu ihr
auf Distanz, indem er sich der Tradition zuwendet und einen Bogen vom
Totenkult der Pharaonen zum Sufismus schlägt.
ots-Originaltext: BR Bayerischer Rundfunk
Digitale Pressemappe: 
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