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Rainer Werner Fassbinder zum 25. Todestag
Zwei Sendungen über den bedingungslos Kreativen
Dienstag, 5. Juni 2007, 20.30 Uhr, Bayern2Radio
Donnerstag, 7. Juni 2007, 21.30 Uhr, Bayern2Radio

München (ots)

Als den "faszinierendsten, begabtesten,
fruchtbarsten, originellsten jungen Filmemacher in Westeuropa" 
bezeichnete ihn die New York Times. Als "im Leben wie im Arbeiten 
berserkerhaft Vorwärtsstürmenden" die Süddeutsche Zeitung. Über 40 
Kino- und Fernsehfilme drehte Rainer Werner Fassbinder zwischen 1965 
und 1982. Er gilt als der wichtigste Vertreter des Neuen Deutschen 
Films und als erfolgreichster deutscher Nachkriegsregisseur. Von 
seinem frühen Drogentod, am 10. Juni 1982 in München, hat sich das 
Autorenkino bis heute nicht erholt.
Sein erster Film "Liebe ist kälter als der Tod" wurde vom 
Feuilleton als "rüde Talentprobe" abgetan, aber bereits sein zweiter 
Film, das Gastarbeiter-Melodram "Katzelmacher" bekam mehrere Preise. 
Umstritten waren seine Arbeiten immer. Aber selbst seine Kritiker 
billigten Rainer Werner Fassbinder "Genie-Status" zu. Ein großer 
Erfolg wurde auf der Berlinale im Jahr 1974 Fassbinders Verfilmung 
von Theodor Fontanes "Effi Briest". Als Höhepunkt seines Schaffens 
gilt die Verfilmung von Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" 
in 14 Teilen - eines seiner persönlichsten Werke. Die filmischen 
Erzählungen Fassbinders waren von Menschen durchtränkt, von der 
Politik, der Geschichte und dem Alltag, den Wechseln und den 
Kontinuitäten im Lebenszusammenhang Deutschlands.
Anlässlich des 25. Todestages von Rainer Werner Fassbinder am 10. 
Juni 2007 widmet Bayern2Radio dem großen deutschen Kino- und 
Fernsehmann zwei Features:
"Chaos macht Spaß. Zwei wilde Jahre: Fassbinder und das 
antiteater." Michael Tötebergs Collage aus Zeitungsartikeln, 
Dokumenten, Interviews, Stückfragmenten und einem unveröffentlichten 
Filmskript ergibt ein Hörpanorama über Fassbinders künstlerische 
Anfänge. Dienstag, 5. Juni, 20.30 Uhr, das Nachtstudio in 
Bayern2Radio.
"Der Anführer. Oder: Was Sie schon immer über R. W. Fassbinder 
wissen wollten." Der bedingungslos kreative Künstler war privat ein 
tyrannischer Kleinstadtbengel, der die Rolle des Bandenchefs mit 
Hingabe und Leidenschaft spielte. Thomas Kernert nimmt diesen großen,
kleinen bayerischen Anführertyp unter die Lupe. Donnerstag, 7. Juni, 
21.30 Uhr, die radioKultur in Bayern2Radio.
Genaue Inhaltsangaben zu beiden Sendungen:
Dienstag, 5. Juni 2007, 20.30 Uhr, Bayern2Radio
Chaos macht Spaß
Zwei wilde Jahre: Fassbinder und das antiteater
Von Michael Töteberg
München, 1967/68. Eine Zeit der Unruhe und des Aufbruchs. Flippern
war mindestens so wichtig wie Demonstrieren. Es ist eine längst 
versunkene Zeit, an die man sich heute wieder zu erinnern beginnt: 
ein eigentümliches Gemisch aus politischer Angriffslust und 
hedonistischer Selbstverwirklichung. Rainer Werner Fassbinder, 22 
Jahre jung, bekommt keine Chance an der Filmhochschule, also nutzt er
sie im Underground-Theater. Im August 1967 stößt er zur Truppe des 
Münchner Action-Theaters und wird bald zur bestimmenden Figur der 
Avantgarde-Szene.
Er ist noch nicht der Häuptling eines Clans, sondern Newcomer in 
einem Kollektiv, das zwischen Apo und Flower Power zerrieben wird. 
Orientiert am Vorbild des New Yorker Living Theatres verfolgte man 
nicht nur ein ästhetisches Programm, eine Kreuzung der an sich 
heterogenen Konzepte von Brecht und Artaud, sondern wollte eine 
positive Utopie im Alltag vorleben. Der schöne Traum zerbrach an der 
Realität: Das Theater um die Bühne und die Dramen in der Gruppe waren
wichtiger als die Inszenierungen. Das Chaos störte Fassbinder jedoch 
nicht, im Gegenteil: Es stimulierte ihn. Hier lernte der Autodidakt, 
wie man mit Schauspielern umgeht und wie man eine Geschichte erzählt,
hier kam sein erstes Theaterstück "Katzelmacher" zur Uraufführung, 
mit den antiteater-Leuten realisierte er seinen ersten Film "Liebe 
ist kälter als der Tod". Fassbinders Produktivität explodierte 
geradezu, vom antiteater blieb nichts als die Keimzelle einer 
außergewöhnlichen Karriere.
"Alles in Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen, das müsste 
schön sein", schrieb Fassbinder in ein antiteater-Programmheft. 
Michael Töteberg montiert aus Zeitungsartikeln, Dokumenten, 
Interviews, Stückfragmenten und einem unveröffentlichten Filmskript 
ein Hörpanorama der zeittypischen Atmosphäre.
***
Donnerstag, 7. Juni 2007, 21.30 Uhr, Bayern2Radio
Der Anführer
Oder: Was Sie schon immer über R. W. Fassbinder wissen wollten
Von Thomas Kernert
Es gibt Leithammel und es gibt Leitwölfe. Kurt Raab, ein 
langjähriger Fassbinder-Vertrauter, nannte "RWF" einmal einen 
"Leithammel". Aber für einen Hammel war Fassbinder viel zu produktiv,
zu innovativ, zu exzessiv, zu aggressiv. Fassbinder war ein Wolf: 
Über vierzig Filme hat er gemacht, großes, internationales Kino und 
kleine, private Milieustudien, vielteilige Fernsehserien und 
einseitige Skandalstücke. Wenn der ehemals "Neue deutsche Film" 
jemals ein Gesicht besaß, dann nicht die intellektuellen Züge von 
Kluge oder Wenders, sondern sein "Tartarengesicht" (Hanna Schygulla).
Die New York Times feierte ihn einst als den "faszinierendsten, 
begabtesten, fruchtbarsten und originellsten jungen Filmemacher in 
Westeuropa". Kein Wunder, dass sich das Autorenkino von Fassbinders 
frühem Drogentod 1982 bis heute nicht erholen konnte. Der Schock 
sitzt so tief, dass man seitdem fast nur noch Unterhaltungskomödien 
dreht.
Der letzte große Leitwolf des deutschen Kinos war freilich auch 
ein armes Würstel. Seine Jugend war eine kleine bayerische 
Nachkriegskatastrophe, aus seiner Pubertät hat er Zeit seines Lebens 
nicht herausgefunden. Der bedingungslos kreative Künstler war privat 
ein tyrannischer Kleinstadtbengel, der die Rolle des Bandenchefs bis 
zu seinem Tode mit Hingabe und Leidenschaft spielte. Für Fassbinder 
gab es nur zwei Alternativen: Man musste für ihn oder gegen ihn sein.

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