Zunahme bei Gewalttaten von Jugendlichen unter Alkohol /
Experten: Alkoholverbot unter 18 wirksames Mittel gegen Gewalttaten
"Report Mainz", heute, 1. Februar 2010, 22.00 Uhr im Ersten
Mainz (ots)
Nach Recherchen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" begehen immer mehr Jugendliche Körperverletzungen und Gewalttaten unter Alkoholeinfluss. Auf Anfrage lieferten elf der 16 Landeskriminalämter Vergleichszahlen, aus denen hervorgeht, dass der Anteil von alkoholisierten Jugendlichen an jugendlichen Tatverdächtigen bei Körperverletzungsdelikten und Gewalttaten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. So stieg der entsprechende Wert in Rheinland-Pfalz von 10,6 Prozent (2000) auf 23 Prozent (2008), in Bayern von 10,8 Prozent (1996) auf 28,2 Prozent (2008), in Brandenburg von 9,6 Prozent (2000) auf 20,1 Prozent (2008), in Niedersachsen von 16,7 Prozent (2000) auf 21 Prozent (2008). Bislang werden diese Daten noch nicht deutschlandweit systematisch ausgewertet. Kriminologe Prof. Christian Pfeiffer betont gegenüber "Report Mainz": "Aus den polizeilichen Statistiken, aber auch aus unseren Dunkelfelduntersuchungen und aus internationalen Vergleichen können wir ablesen: Wir haben in Deutschland ein massives Alkoholproblem bei jungen Menschen, das tendenziell größer geworden ist."
In "Report Mainz" fordert der Kriminologe Prof. Pfeiffer daher ein einheitliches Alkoholverbot für alle Jugendlichen unter 18 Jahren. Brutale Gewalttaten von Jugendlichen könnten durch ein höheres Alterslimit für die Abgabe von Alkohol vermieden werden. Der Kriminologe stützt sich dabei auch auf eine neue Studie seines Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) mit dem Titel "Drogenkonsum im Jugendalter - Verbreitung, Bedingungsfaktoren und Zusammenhang mit Gewaltverhalten". Der Wissenschaftler weist auf der Datenbasis einer deutschlandweit repräsentativen Befragung von rund 45.000 Jugendlichen der neunten Jahrgangsstufe einen direkten Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Gewalttaten von Jugendlichen nach. Besonders brutale und enthemmte Gewalt von Jugendlichen, wie im Fall des zu Tode geprügelten Dominik Brunner an einer Münchener U-Bahnhaltestelle, werde durch Alkoholkonsum befördert. Wörtlich sagt Pfeiffer in "Report Mainz": "Wenn wir die Altersgrenze für Alkohol nach dem Vorbild anderer Länder heraufsetzen würden, also auch für Bier und Wein, und wir würden dies auch durchsetzen, dass Kinder und Jugendliche da nicht mehr drankommen, dann hätte das gewaltreduzierende Wirkung." Bisher dürfen Jugendliche in Deutschland schon ab 16 Jahren Bier und Wein kaufen.
Die Gesundheitsbehörde der Europäischen Union weist gegenüber "Report Mainz" darauf hin, dass immer mehr europäische Staaten ein einheitliches Alterslimit von mindestens 18 Jahren für Alkohol einführen. Es gebe einen klar erkennbaren Trend in der EU hin zu höheren Alterslimits, sagt der hochrangige EU-Gesundheitsbeamte Michael Hübel gegenüber "Report Mainz". Deutschland sei mit seiner Regelung, Bier und Wein bereits ab 16 Jahren zu erlauben, in Europa inzwischen in der Minderheit. Frankreich hat im vergangenen Jahr die Abgabe von Alkohol an Jugendliche unter 18 Jahren generell verboten. Michael Hübel, Leiter der Abteilung Gesundheitsfaktoren der Europäischen Kommission, Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz in Luxemburg, betont hierzu in "Report Mainz": "Die Alterslimits sind ein sinnvolles und sehr einfaches Mittel, um als Teil eines Maßnahmenpakets den Alkoholkonsum von jungen Menschen anzugehen." Weiter sagt er: "Wir stellen fest, dass mehr und mehr Mitgliedsstaaten diesen Weg gehen, und ich denke, das würde zu mehr Klarheit beitragen."
Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bewertet ein höheres Alterslimit für Bier und Wein auf Anfrage von "Report Mainz" als wünschenswerte Maßnahme, die durch Aufklärungsarbeit unterstützt werden müsse. Die Direktorin der BzgA, Prof. Dr. Elisabeth Pott, sagt wörtlich: "Eine einheitliche Grenze, die auch ein höheres Alter vorschreibt, und auch wirklich kontrolliert wird, könnte einen Nutzen bringen." Im Gespräch mit "Report Mainz" hebt die Gesundheitsexpertin besonders die Signalwirkung eines solchen einheitlichen Alterslimits mit Blick auf Eltern, Jugendliche, den Handel und die Öffentlichkeit hervor: "Eine einheitliche Altersgrenze würde das Problem der Kommunikation, was ist eigentlich schädlich oder nicht, erleichtern." Es sei Jugendlichen nur schwer zu vermitteln, warum Spirituosen ab 18 Jahren, Bier und Wein jedoch schon ab 16 Jahren erlaubt seien, schließlich handle es sich auch dabei um Alkohol, der vor allem junge Menschen schädigen könne.
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