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Bundesregierung zieht Bilanz zur Justizreform in Afghanistan Auswärtiges Amt: Zustand bleibt "unbefriedigend" - Heute, 1. März 2010, 21.45 Uhr in "Report Mainz" im Ersten

Mainz (ots)

Mainz. Das Auswärtige Amt zieht gegenüber dem
ARD-Politikmagazin "Report Mainz" erstmals öffentlich eine Bilanz zur
Justizreform in Afghanistan: Der Zustand der Gerichte "bleibt bisher 
in Teilen ungenügend", so das Außenministerium in einer Stellungnahme
"Report Mainz" gegenüber. Der Stand der Justizreform sei 
"unbefriedigend" und sie werde "noch etliche Jahre dauern".
Nach Angaben des Ministeriums wurden in den vergangenen vier 
Jahren 446 afghanische Richteranwärter sowie junge Staatsanwälte und 
Anwälte mit deutschen Mitteln ausgebildet. Das entspricht knapp einem
Zehntel der 4.500 afghanischen Richter und Staatsanwälte. Zudem 
finanzierte und organisierte Deutschland zweiwöchige Workshops "Faire
Prozessführung". Daran nahmen bislang 2.038 afghanische Richter und 
Staatsanwälte teil. Seit 2004 hat das Auswärtige Amt insgesamt fast 
11 Millionen Euro für Justizprojekte in Afghanistan bereitgestellt. 
Durchgeführt wird die Ausbildung vom Max-Planck-Institut, Heidelberg 
(MPI).
Tilmann Röder, der MPI-Ausbildungsleiter in Afghanistan, schlägt 
im Interview mit "Report Mainz" Alarm: "Es fehlt eigentlich an Allem:
An guter Infrastruktur und an Ausbildung." Tilmann Röder zufolge gibt
es in vielen afghanischen Gerichten keine Gesetzestexte, keine 
Telefone und oft auch keine Heizung. Wie viele der mit deutschen 
Mitteln ausgebildeten Richter und Staatsanwälte noch im Dienst sind, 
könne nicht genau gesagt werden. Viele qualifizierte Juristen 
wechselten aufgrund der miserablen Bezahlung den Arbeitgeber und 
seien inzwischen  im Dienst von Hilfsorganisationen.
Der Deutsche Bundestag hatte 2003 einstimmig beschlossen, die 
Menschenrechte in Afghanistan zu stärken und dem Land zu 
Rechtsstaatlichkeit zu verhelfen. Die Bundesregierung wurde in dem 
Beschluss aufgefordert, "sicherzustellen, dass Rechtsprechung und 
-praxis in voller Übereinstimmung mit den von Afghanistan 
ratifizierten Menschenrechtsübereinkommen stehen".
Rory Mungoven vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCR) 
sieht dieses Ziel nicht verwirklicht. Wörtlich erklärte er in "Report
Mainz": "Das System ist Willkür und das System ist Diskriminierung."
Nach Informationen von Amnesty International werden Urteile 
mitunter innerhalb von vier Minuten gefällt. Die Angeklagten hätten 
oft keine Möglichkeit sich zu verteidigen. Zugang zu Rechtsanwälten 
gebe es kaum. Geständnisse würden erfoltert. Kaum ein Verfahren sei 
fair. Nach Angaben des MPI werden in Afghanistan rund 80 Prozent der 
Fälle nicht vor Gericht verhandelt. Grund dafür sei laut Amnesty 
International, dass die Bevölkerung mehr den Stammesräten und 
Taliban-Richtern vertraue, als den staatlichen Gerichten.
Monika Lüke, die Generalsekretärin von Amnesty International 
kritisiert in "Report Mainz", Deutschland habe die Chance verpasst, 
auf der Londoner Konferenz sich für mehr Rechtsstaatlichkeit in 
Afghanistan stark zu machen. Wörtlich sagte sie zu den neuen Plänen 
der Bundesregierung: "Was komplett fehlt, ist der Aufbau der Justiz, 
ist eine Stärkung der Menschenrechte und das sind doch eigentlich die
Kernelemente eines jeden zivilen Wiederaufbaus, der zur 
Rechtsstaatlichkeit beitragen will."
Auch Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei
(GdP) kritisierte die Bundesregierung scharf: "Wir kommen an - ich 
darf das mal so formulieren - mit elf Richtern oder eine zeitlang mit
20, 30, 40 Polizisten und sagen: Jetzt bauen wir mal ein Land auf. 
Das ist nicht machbar. Ganz deutlich. Und da darf man jetzt auch 
nicht enttäuscht sein, dass einem das nicht gelungen ist. Man muss 
sich jetzt genau überlegen, kann man die Hilfe verbessern? Kann man 
mehr tun?"
Zitate gegen Quellenangabe frei.

Pressekontakt:

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.:
06131/929-3351.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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