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Kritik an gesponserter Anzeigenkampagne der Bundesregierung in der "Bild-Zeitung"
Grünen-Fraktionsvorsitzender Trittin: "Sponsoring völlig unakzeptabel"

Mainz (ots)

Eine Anzeigenkampagne des Verbraucherschutzministeriums, die komplett von der Drogeriemarkt-Kette "dm" finanziert wurde, stößt auf heftige Kritik bei SPD und Grünen. Wie das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" heute Abend, 22. August, 21.45 Uhr im Ersten berichtet, hat das Unternehmen "dm" dem Ministerium zwölf Anzeigen in der "Bild-Zeitung" im Wert von insgesamt rund 340.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Kampagne startete Ende Juli und soll noch bis Anfang September laufen. In den Anzeigen wirbt das Verbraucherschutzministerium für mehr Bewegung und gesunde Ernährung. Zugleich präsentiert sich jedes Mal auch die Drogeriemarkt-Kette "dm" in unmittelbarer Nähe zum Bundesadler und zu einem Porträtfoto des Parlamentarischen Staatssekretärs des Verbraucherschutzministeriums, Dr. Gerd Müller (CSU).

Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin bezeichnet die gesponserte Werbeaktion gegenüber "Report Mainz" als "völlig unakzeptabel". Mit der gesponserten Anzeigenkampagne werde das Neutralitätsgebot des Staates verletzt: "Hier geht es darum, dass das offizielle, sozusagen das amtliche Siegel der Bundesregierung gebraucht wird, um die Produkte dieser Drogeriemarkt-Kette abzusetzen." Wörtlich sagt Trittin im Interview weiter: "Es geht nicht, dass eine Bundesregierung für ein Unternehmen, das im Wettbewerb zu anderen Unternehmen steht, selber Partei ergreift. Ich würde Frau Aigner dringend empfehlen, diese Kampagne zu beenden." Weiter betont der Grünen-Fraktionsvorsitzende: "Ich sehe die Gefahr, dass das Sponsoring hier dazu führt, dass sich jemand für seine Kampagne den Staat kaufen kann. Das ist eine abenteuerliche Vorstellung."

Auch die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag, Elvira Drobinski-Weiß, kritisiert die gesponserte Anzeigenkampagne und kündigt an, dieses Sponsoring zum Thema im Bundestag zu machen: "Ich fordere, dass die Anzeigenkampagne gestoppt wird, und zwar sofort. Das Ministerium muss sich in Zukunft an der Neutralität messen lassen." Weiter sagt sie im Interview mit "Report Mainz": "Mich regt daran auf, dass das Ministerium sich hier zu einem Handlanger macht für ein Unternehmen, nämlich für die Drogeriemarkt-Kette 'dm', und ich sehe hier auch das Prinzip der Neutralität des Staates überhaupt nicht mehr gewahrt."

Die beiden Staatsrechtler Prof. Ulrich Battis und Prof. Hans Herbert von Arnim bewerten die Anzeigenkampagne im Interview mit "Report Mainz" übereinstimmend als rechtswidrig. Prof. Battis erklärt: "Hier wird massiv der Eindruck erweckt, dass das Ministerium mit Adler, mit Siegel und mit dem Staatssekretär hier Arm in Arm auftritt mit einem Unternehmen, das seine Produkte bewirbt, und es ist hier überhaupt keine Distanz feststellbar. Es ist eine einheitliche Anzeige, und es besteht auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Texten - das ist in meinen Augen ein klarer Verstoß gegen die Verwaltungsvorschriften, die die Bundesregierung erlassen hat zum Sponsoring." Staatsrechtler Prof. von Arnim betont: "Diese Anzeigenaktion ist rechtswidrig, sie ist verfassungswidrig, weil das Ministerium für den objektiven Beobachter hier Werbung mitmacht zugunsten eines privaten Unternehmens und weil es auch zumindest den bösen Schein erweckt, dass es hier seine Unabhängigkeit, seine Neutralität, die verfassungsrechtlich erforderlich ist, aufs Spiel setzt."

"Report Mainz" liegen die vertraulichen internen Ausführungshinweise der Bundesregierung zur "Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater" zum Umgang mit Sponsoring vor. Darin heißt es wörtlich: "Durch Art und Umfang der Werbung darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Dienststelle sich an kommerzieller Produktwerbung des Sponsors beteiligt."

Das Verbraucherschutzministerium wollte zur Rechtmäßigkeit der gesponserten Anzeigenkampagne auf Anfrage von "Report Mainz" keine Stellung nehmen. Ein Interview wurde abgelehnt. Eine Sprecherin musste jedoch einräumen, dass die Anzeigenkampagne vollständig vom Unternehmen "dm" finanziert wird. "Der Bundesregierung entstehen für die Schaltung der Anzeigen keine Kosten. Es liegt eine Sponsoringvereinbarung mit dem Unternehmen dm-drogeriemarkt GmbH & Co. KG, Karlsruhe vor." Die Sponsoringleistung des Unternehmens betrage 287.040 Euro zuzüglich Umsatzsteuer. Diese Sponsoringleistung werde voraussichtlich erst im 2013 erscheinenden nächsten Sponsoringbericht der Bundesregierung aufgeführt.

Das Sponsoring von Ministerien hat in den vergangenen acht Jahren stark zugenommen. Die Summen, die von Unternehmen an Bundesministerien flossen, haben sich von 55,2 Mio. Euro (2003/2004) auf 93,4 Mio. Euro (2009/2010) nahezu verdoppelt. Experten und Politiker fordern angesichts aktueller Missbrauchsfälle mehr Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Annahme von Sponsoring.

Zitate gegen Quellenangabe frei. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-3351.

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