Deutsche sehen Aufstiegschancen kritisch Nur 16 Prozent der Bundesbürger erwarten, in einem Jahr reicher zu sein
Mainz (ots)
Mainz - Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland beurteilt die Chancen auf sozialen Aufstieg kritisch. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" (heute, 21.45 Uhr im Ersten). Laut einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag von "Report Mainz" bezeichnen 56 Prozent der Menschen die Aufstiegschancen in der Bundesrepublik als weniger oder gar nicht gut. Nur vier von zehn Bundesbürgern (41 Prozent) äußern sich zufrieden über die Möglichkeiten in Deutschland voranzukommen.
Die Wahrnehmung der sozialen Aufstiegschancen geht innerhalb der Gesellschaft deutlich auseinander. Bundesbürger, die sich eher zu den unteren Schichten zählen, beurteilen die Möglichkeiten aufzusteigen, besonders kritisch. Die repräsentative Meinungsumfrage im Auftrag von "Report Mainz" zeigt, dass 68 Prozent von ihnen die Aufstiegschancen in Deutschland als weniger oder gar nicht gut empfinden. Nur 29 Prozent bezeichnen sie als sehr gut oder gut.
Der Soziologe Prof. Michael Hartmann, Elitenforscher an der TU Darmstadt, ordnet die Ergebnisse der Meinungsumfrage gegenüber "Report Mainz" als eine realistische Sicht der Verhältnisse in Deutschland ein. "Die Wahrscheinlichkeit, dass man in dem gesellschaftlichen Bereich bleibt, in dem man groß geworden ist, ist deutlich gestiegen. Die Chancengerechtigkeit ist seit der Jahrtausendwende deutlich rückläufig", sagte Prof. Hartmann im Interview mit "Report Mainz". Die größten Schwierigkeiten aufzusteigen, hätten die Menschen aus unteren sozialen Schichten: "Wenn man in den 60er und 70er Jahren noch relativ häufig erlebt hat, dass Personen aus den unteren Schichten aufgestiegen sind, ist das heute nur noch eine Ausnahme", so Prof. Hartmann.
Laut der Meinungsumfrage geht die Aufstiegsskepsis einher mit geringen Erwartungen an die eigene finanzielle Entwicklung: 84 Prozent der Bundesbürger erwarten, dass sich in einem Jahr an ihrer finanziellen Situation nichts geändert haben wird oder sie sogar ärmer geworden sind. Nur 16 Prozent erwarten, dass sie in einem Jahr reicher sind als heute. Besonders ausgeprägt ist diese Einschätzung wiederum bei denjenigen, die sich eher am unteren Ende der Gesellschaft sehen: 93 Prozent von ihnen erwarten, dass sie in einem Jahr finanziell nicht besser dastehen werden. Sieben Prozent glauben, dass sie reicher sind als heute. Von denen, die sich zu den oberen Schichten zählen, gehen dagegen 90 Prozent davon aus, dass sich in diesem Jahr an ihrer finanziellen Situation nichts ändert oder sie sogar reicher werden.
Auch diese Einschätzung der Bundesbürger spiegele die Situation in Deutschland realistisch wider, erklärte Prof. Michael Hartmann. "Es gibt deutlich mehr Leute, die ärmer werden. Dazu kommt: Die Wahrscheinlichkeit, wenn man einmal zu den ärmeren Teilen gehört, dort wieder herauszukommen, ist innerhalb weniger Jahre gesunken. Die Chance wohlhabend oder geschweige denn reich zu werden, ist für diese Leute deutlich geringer geworden", erklärte Prof. Hartmann gegenüber "Report Mainz".
Insgesamt sieht der Wissenschaftler eine deutliche Abnahme der Chancengerechtigkeit in Deutschland. Im internationalen Vergleich entferne man sich immer weiter von Ländern mit hoher Chancengerechtigkeit, wie etwa den skandinavischen Ländern, und nähere sich Großbritannien oder den USA an, in denen die Chancengerechtigkeit traditionell relativ gering sei.
Im Auftrag von "Report Mainz" hat infratest dimap in der vergangenen Woche 1000 Bundesbürger nach ihrer Meinung zu den Aufstiegschancen in Deutschland und zu ihrer eigenen finanziellen Entwicklung befragt.
Weitere Informationen finden Sie unter www.swr.de/report. Zitate gegen Quellenangabe frei. Fragen bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-33351.
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