"Report Mainz", heute, 2. September 2014, um 21.45 Uhr im Ersten
"Ärzte ohne Grenzen" wirft westlichen Staaten fehlenden Willen bei Ebola-Bekämpfung vor
Mainz (ots)
Bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie in Westafrika gerät die Weltgesundheitsorganisation WHO zunehmend in die Kritik. Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hatte schon zu Beginn des Ausbruchs gewarnt, dass ein stärkeres und schnelleres Eingreifen der Weltgemeinschaft nötig sei. Die WHO-Beraterin und Infektionsexpertin Petra Dickmann spricht dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" gegenüber von Fehlern, die gemacht worden seien. "'Ärzte ohne Grenzen' sind vor Ort und haben viel Erfahrung vor Ort. Die haben lange gesagt: Hier passiert etwas, was nicht normal ist. Das ist etwas, was wir vorher nicht erlebt haben. Die haben lange schon die Trommel geschlagen. Wir haben ihnen zu spät zugehört. Und ich denke, dass die internationale Gemeinschaft und auch die Weltgesundheitsorganisation sehr spät darauf reagiert hat", so Petra Dickmann. Die Infektionsexpertin ist als selbständige Beraterin auch für die WHO tätig ist und arbeitet an Konzepten zum Umgang mit Epidemien wie Ebola.
Zudem sagte die Beraterin im Interview mit "Report Mainz", die WHO und andere Organisationen hätten nach einigen Wochen sogar wieder Kapazitäten abgezogen: "Man hat also relativ zügig wieder Personal abgezogen. Und das war mit Sicherheit ein Fehler. Ein weiterer Punkt ist, dass die Koordination vor Ort - glaube ich - auch nicht besonders gut läuft."
Diese Kritik äußert auch der Geschäftsführer von "Ärzte ohne Grenzen Deutschland", Florian Westphal, im Interview mit "Report Mainz": "Ich glaube, dass es im internationalen System an einer effektiven Koordinierung mangelt. Es mangelt an der Rolle der WHO, die dazu imstande sein müsste. Und man muss auch sagen, es mangelt bis jetzt noch wirklich an dem deutlichen Willen der Staaten, vor allem auch der westlichen Staaten, die Mittel hätten, die Experten hätten, diese wirklich auch zur Verfügung zu stellen. "
Der erst vor wenigen Wochen vom Ebola-Einsatz zurückgekehrte Arzt Thomas Kratz berichtet "Report Mainz", dass er am Anfang alleine ohne Unterstützung der WHO ein Behandlungszentrum aufbauen musste: "Es waren am Anfang gar keine WHO-Mitarbeiter da. Ich war mit vier anderen Mitarbeitern von 'Ärzte ohne Grenzen' da, sonst niemandem, mit einer Situation, mit der wir völlig überfordert waren."
Ein Sprecher der WHO sagte im Interview mit "Report Mainz" zu den Vorwürfen: "Es geht nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir sollten schauen, was jetzt passieren kann, um die Epidemie einzudämmen." Auf Anfrage bestätigte die WHO aber, dass vor Ausbruch der Epidemie mehrere Personalstellen im zuständigen WHO-Regionalbüro in Afrika gestrichen wurden.
Das für Nothilfe zuständige Auswärtige Amt teilte mit, es habe einen Krisenstab eingerichtet, der sich mit der Epidemie beschäftige. Zudem habe man 1,15 Mio. Euro Hilfsgelder angewiesen. "Ärzte ohne Grenzen" beklagt jedoch, dass es weniger an Geld, sondern vielmehr an Experten und Equipment fehle.
René Gottschalk, einer der weltweit führenden Ebola-Experten und Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main, fordert "Report Mainz" gegenüber neue Strukturen im Kampf gegen solche Epidemien: "Wir brauchen neue Strukturen, um diesen armen Menschen helfen zu können, diesen armen Ländern helfen zu können. Sie müssen erst mal genügend Personal haben, das auch in der Lage ist, akut und schnell in die Krisenregionen zu gelangen. Sie brauchen Laboratorien, die transportabel sind, sie brauchen gegebenenfalls sogar mobile Hospitäler."
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