Geheimdokumente belegen: Apartheidregime instrumentalisierte deutsche Journalisten und Politiker für Propaganda
"Report Mainz" am 7.5.2019, 21:45 Uhr im Ersten
Moderation: Fritz Frey
Mainz (ots)
Günter Verheugen: "Das ist der ungeheuerlichste, massivste Versuch, die deutsche Politik mit illegitimen, korrumpierenden Mitteln zu beeinflussen, der mir im ganzen Leben vorgekommen ist."
25 Jahre nach dem Ende der Apartheid in Südafrika sind bisher unbekannte, als geheim oder vertraulich eingestufte Dokumente aufgetaucht, die eine systematische Instrumentalisierung deutscher Politiker und Journalisten durch das damalige Regime in Pretoria belegen. Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz". In den Akten enthalten sind Briefe und Fernschreiben, aber auch Strategiepapiere, Lageberichte und handschriftliche Notizen. Sie stammen aus dem Informationsministerium in Pretoria und aus dem Nachlass der PR-Agentur Hennenhofer aus Königstein im Taunus.
Der Historiker Andreas Kahrs von der Humboldt-Universität Berlin hat diese Dokumente im Rahmen einer Forschungsarbeit entdeckt und über Jahre systematisch ausgewertet. Im Interview mit "Report Mainz" erklärt er, es sei vorher nicht bekannt gewesen, wie intensiv das Apartheid-Regime auf die deutsche Öffentlichkeit eingewirkt habe. Durch diese Propagandastrategie wollte das Regime "die weiße Vorherrschaft auf Dauer sichern."
Der SPD-Politiker Günter Verheugen hat sich über viele Jahre mit dem Thema Apartheid beschäftigt. Er war in den 80er Jahren dutzende Male auf eigene Kosten in Südafrika und unterstützte Oppositionelle wie Bischof Desmond Tutu. Die nun vorliegenden Recherchen und Dokumente kommentiert er mit den Worten: "Was Sie mir da zeigen, das ist der ungeheuerlichste massivste Versuch, die deutsche Politik mit illegitimen, korrumpierenden Mitteln zu beeinflussen, der mir im ganzen Leben vorgekommen ist."
Hennenhofer PR - im Dienst der der südafrikanischen Propaganda 1975 entwickelte die Agentur Hennenhofer "streng vertraulich" ein PR-Konzept für das Apartheidregime. Darin schreibt der Agenturgründer Dr. Gerd Hennenhofer er sei der "grundsätzlichen Überzeugung", dass es zur "Politik der getrennten Entwicklung", also der Apartheid, "keine Alternative" gäbe. Davon sollten durch PR-Maßnahmen auch Meinungsführer in Politik und Medien überzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, organisierte die Firma sogenannte "Informationsreisen" nach Südafrika. Im Zeitraum zwischen 1976 und 1986 reisten über 100 Journalisten und Politiker auf Einladung der Agentur ans Kap - Luxussafari und Flug in der ersten Klasse oftmals inklusive. Die Reisen im Wert von jeweils rund 12.500 DM pro Person wurden vom Apartheid-Regime bezahlt. Gerd Hennenhofer ist bereits Mitte der 80er Jahre verstorben. Ein früherer Mitarbeiter von Hennenhofer verteidigt gegenüber "Report Mainz" die Arbeit der Agentur bis heute: Sie hätten nur eine Dialogplattform geschaffen. Die Unterlagen zeigen jedoch, dass das Regime durch diese Maßnahmen drohende Sanktionen und die politische Isolation von Südafrika wegen der Apartheid verhindern wollte. Nach Einschätzung des Historikers Andreas Kahrs war diese Strategie in zahlreichen Fällen erfolgreich.
Regime schreibt an Grundsatzpapier der Unions-Fraktion zu Südafrika mit So habe das Regime zum Beispiel an einem Grundsatzpapier der CDU/CSU-Faktion zu Südafrika mitgewirkt. Das legt ein geheimer Brief eines Mitarbeiters der südafrikanischen Botschaft in Bonn an das Informationsministerium in Pretoria nahe. Er informiert darin Pretoria über eine "große Afrika-Debatte im Bundestag" im Herbst 1977. Ein Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion habe ihm den Entwurf für ein Grundsatzpapier zur Korrektur übergeben. Im Brief heißt es: "Er gab mir das Dokument mit der Bitte, es durchzusehen und etwaige angebrachte Kritik zu üben, und ich solle andeuten, wo nach meiner Meinung die Formulierung abgeändert oder verbessert werden könne." Desweiteren erklärt der Verfasser, man müsse mit der Kritik vorsichtig sein, um vor den anderen Parteien den Eindruck zu verschleiern, "dass die ca. 16 CDU/CSU Mitglieder, die dieses Jahr schon in Südafrika waren, zu sehr zu unseren Ansichten neigen."
Beeinflussung von Journalisten
In den Akten finden sich auch Hinweise, dass Journalisten von Sendern wie ARD, ZDF, aber auch überregionalen Zeitungen wie "Die Welt" sich nach solchen Reisen im Sinne des Regimes geäußert haben sollen. Prominentester Führsprecher der Regierung in Pretoria war Anfang der 80 Jahre der ZDF-Journalist Gerhard Löwenthal. Zu ihm fand Historiker Kahrs in Pretoria eine eigene Geheimakte. Gerhard Löwenthal sei, so Kahrs, für die südafrikanischen Propagandainstitutionen "eine Art Premiumpartner" gewesen. Er wurde vom Apartheid-Regime als "Staatsgast" behandelt, alle Reisekosten für Dreharbeiten in Südafrika wurden vom Regime bezahlt. So nutzte das Regime Löwenthals Berichte im "ZDF Magazin" im Mai und Juni 1984 gezielt für eine positive Berichterstattung im Umfeld des umstrittenen Treffens von Premierminister Botha mit Bundeskanzler Kohl in Bonn. Auf die Frage, ob dem ZDF dieser Vorgang bekannt sei und wie der Sender diesen aus heutiger Sicht bewertet, erklärt das ZDF, man könne dazu keine Angaben machen. Es seien 30 Jahre vergangen, alle Programmverantwortlichen zwischenzeitlich verstorben.
1984 reiste auch der ehemalige SWF-Chefredakteur Hans Gresmann auf Einladung der Firma Hennenhofer nach Südafrika. Auch er soll sich nach der Reise dem Regime gegenüber loyal verhalten haben. In einem "streng vertraulichen" Bericht an das Außenministerium erklärt Hennenhofer, der SWF-Chefredakteur habe sich in den täglichen Telefonkonferenzen der ARD-Anstalten erfolgreich gegen kritische Kommentare zu Südafrika eingesetzt. Der SWR erklärt auf Nachfrage von "Report Mainz", man habe keine Kenntnis von Kontakten des ehemaligen Chefredakteurs zur PR-Agentur Hennenhofer. Weiter heißt es: "Da der Vorgang mehr als 30 Jahre zurückliegt, es keine weiteren Dokumente gibt und die damaligen Programmverantwortlichen entweder verstorben bzw. nicht mehr im Haus sind, können wir dazu keine weiteren Angaben machen."
Hintergrund: Vor 25 Jahren im Mai 1994 feierte Nelson Mandela seinen Wahlsieg und damit das Ende der Apartheid in Südafrika. Zwei Jahre später wird der Friedensnobelpreisträger im Deutschen Bundestag frenetisch empfangen. Seither ist in Vergessenheit geraten, dass Deutschland sich über Jahrzehnte weigerte, Sanktionen gegen das Regime zu verhängen und die Opposition im Kampf gegen die Apartheid zu unterstützen.
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