Leopold Museum 2025: Schiele, Biedermeier und die „Verborgene Moderne“
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Wien (ots)
Im bevorstehenden Jahr legt das Leopold Museum den Fokus auf Egon Schieles Spätwerk, wirft einen frischen Blick auf die Kunst des Biedermeier, spürt der Faszination des Okkulten um 1900 nach und würdigt Ortner & Ortners Libelle mit den künstlerischen Interventionen von Eva Schlegel und Brigitte Kowanz. Darüber hinaus lädt das Haus ein, mit Egon Schiele in eine innovative Virtual Reality Experience einzutauchen, erweitert die Online Sammlung und präsentiert den Relaunch der Egon Schiele Datenbank der Autografen. Wer Entspannung während des Besuchs im Leopold Museum sucht, kann ab sofort die neue Hoffmann-Lounge aufsuchen, eine Hommage an den weltberühmten Architekten und Designer Josef Hoffmann.
2024: 440.000 Besucher*innen - Internationale Präsenz in Korea
Rund 440.000 Personen besuchten die Ausstellungen des Leopold Museum im Jahr 2024. Erfolgreich angelaufen ist im National Museum of Korea die Schau Vienna 1900.The Dreaming Artists. From Gustav Klimt to Egon Schiele. The Leopold Museum Collection. Allein im ersten Ausstellungsmonat Dezember rechnet man in Seoul mit einem Zustrom von 80.000 Besucher*innen bei Klimt, Schiele, Kokoschka, Gerstl & Co.
Klimt, Schiele, Kokoschka: Neuerwerbungen im Wert von 15 Millionen Euro
Das Leopold Museum versteht die Erweiterung der Sammlung als eine der zentralen Kernaufgaben musealer Arbeit. Direktor Hans-Peter Wipplinger berichtet, dass auch 2024 der Ausbau der Sammlung entschieden vorangetrieben werden konnte: „Durch Schenkungen und Ankäufe ist es im heurigen Jahr gelungen, 315 Kunstwerke neu in den Sammlungsbestand aufzunehmen. Der Wert der Schenkungen beläuft sich dabei auf rund 15 Millionen Euro. Nicht zuletzt durch die Unterstützung des Circle of Patrons, des Salon Leopold sowie großzügiger Mäzen*innen konnten darüber hinaus zahlreiche Ankäufe getätigt werden.“ Unter den Neuzugängen der Sammlung befinden sich Exponate von Künstler*innen wie Max Beckmann, Marie Egner, Richard Gerstl, Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Paula Modersohn-Becker, Moriz Nähr, Max Oppenheimer, Egon Schiele, u.v.a. mehr.
DIE AUSSTELLUNGEN
Neue Ausstellungen 2025
Zeiten des Umbruchs. Egon Schieles letzte Jahre ist der Titel der ersten Ausstellung, die sich ab 28. März anhand von rund 120 Werken der letzten Schaffensphase des bedeutenden österreichischen Expressionisten widmet. Erstmals wird in einer Ausstellung die Kunstproduktion der letzten fünf Lebensjahre des Künstlers, der im Herbst 1918 im Alter von nur 28 Jahren an den Folgen der Spanischen Grippe starb, in den Fokus genommen. Schwerpunkte sind u.a. die Suche nach dem Selbst, die Darstellung von Paaren, die Beschäftigung mit dem Bildnis seiner Frau Edith, Landschaftsbilder, Arbeiten aus der Zeit in der Armee, Porträts von Freunden und die omnipräsente weibliche Figur. Die Schau gibt Einblick in Schieles Erfolge und seinen künstlerischen Durchbruch mit der großen Ausstellung in der Wiener Secession. Auch die letzten, teils unvollendeten Werke werden analysiert und Einblicke in bislang Unveröffentlichtes, wie das Tagebuch von Edith Schiele, gewährt.
Die von Amilux Film produzierte interaktive VR Experience Egon Schiele - Eine persönliche Begegnung der Kunstschaffenden Gerda Leopold, Regisseurin & Produzentin des virtuellen Erlebnisses, wird ab Anfang April im Leopold Museum erfahrbar sein. Es handelt sich nicht nur um eine Hommage an Schieles künstlerisches Schaffen, sondern auch um eine innovative Möglichkeit, das Wesen des Künstlers hautnah zu erleben.
Die Ausstellung Biedermeier. Eine Epoche im Aufbruch beleuchtet eine der wichtigsten Perioden der heimischen Kunst und lenkt ab 10. April den Blick über die Haupt- und Residenzstadt Wien als Zentrum des Habsburgerreiches hinaus in die anderen Zentren der Donaumonarchie: In Städte wie Budapest, Prag, Laibach, Triest, Venedig und Mailand, wo gesellschaftliche und technologische Neuerungen zu Umbrüchen in der künstlerischen Entwicklung führten. Während viele im Schatten des wirtschaftlichen Aufschwungs unter bitterer Armut litten, entstand auch ein wohlhabendes Bürgertum, das sich in Form von realistischen Porträts selbstbewusst darstellen ließ. Neben Familienbildern und Genreszenen finden sich Landschaftsgemälde, deren Grundlage das Studium der Natur und des Lichtes bildete. Im Auftrag der Hocharistokratie malten Künstler die schönsten Orte der österreichischen Monarchie und angrenzender Länder. Hubert Sattler bereiste den Orient ebenso wie Amerika, schuf großformatige Veduten von Konstantinopel, Kairo oder New York. In der Innenausstattung dominierte eine neue Einfachheit, die Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Wiederentdeckung des Biedermeier durch Architekten wie Adolf Loos und Josef Hoffmann führte.
Verbunden mit den Schattenseiten der Industrialisierung entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert in Wien ein Interesse an alternativen Gesellschaftsmodellen. Die Ausstellung Verborgene Moderne. Faszination des Okkulten um 1900 spürt ab 4. September der Kritik am Materialismus des Industriezeitalters wie auch an christlichen Religionspraktiken nach, die mit einer Begeisterung für fernöstliche Erlösungsszenarien einherging. Körperkult, Vegetarismus, Kleiderreform, Ausdruckstanz und Theosophie waren Symptome einer von Friedrich Nietzsche eingeforderten ethischen Revolution. Die Begeisterung für das Werk Richard Wagners drang in alle Bereiche des Kulturlebens ein, sein Ideal des Gesamtkunstwerkes war für die Wiener Secessionisten richtungsweisend. Im Gegensatz zu Paris oder Prag zählte Wien nicht zu den Zentren des Okkultismus. Dennoch gelangte die Theosophie der russischen Schriftstellerin Helena Blavatsky zu den vegetarischen Zirkeln Wiens. Ein Protagonist war der Universalgelehrte Friedrich Eckstein, dessen Netzwerk die Komponisten Gustav Mahler und Hugo Wolf, den Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner und den sozialdemokratischen Politiker Victor Adler umfasste. Die fluiden Gestalten von Edvard Munch, der Glaube an die Existenz der Lebenskraft spendenden Od-Strahlen und die Entdeckung der Röntgenstrahlen lieferten künstlerische Impulse, bis hin zu den Innenschauen von Richard Gerstl, Egon Schiele, Oskar Kokoschka oder Max Oppenheimer, die ihre Bildprotagonist*innen als auratische Erscheinungen begriffen.
Das MuseumsQuartier zählt zu den größten Kulturkomplexen Mitteleuropas. Die im Jahr 2020 eröffnete „MQ Libelle“ am Dach des Leopold Museum steht ab 10. Oktober im Zentrum der Präsentation Libelle+. Mit dieser ersten baulichen Ergänzung des MQ wurde der öffentliche Raum des Areals auf 20 Metern Höhe erweitert, mit Blick auf die Wiener Innenstadt und die Prachtbauten der Ringstraße. Der Ort ist ebenso Treff- und Aussichtspunkt wie weithin sichtbares Landmark sowie ein zeitgenössisches Gesamtkunstwerk, für welches das Architekturbüro Ortner & Ortner verantwortlich zeichnet. Im Zentrum der Schau stehen die künstlerische Ideengenese der „Libelle“ und die Wechselwirkungen zwischen der „MQ Libelle“ und den untrennbar damit verbundenen künstlerischen Interventionen von Brigitte Kowanz und Eva Schlegel.
Permanente Ausstellungen
Als permanentes Highlight des Leopold Museum gewährt die Präsentation Wien 1900. Aufbruch in die Moderne einen einzigartigen Einblick in die vibrierende Atmosphäre Wiens um 1900. Die Ausstellung umfasst u.a. eine umfangreiche Präsentation zu Gustav Klimt, die weltweit größte Egon Schiele-Sammlung, die international umfassendste permanente Museumspräsentation zu Oskar Kokoschka, die größte Sammlung an Werken von Richard Gerstl und erlesene Beispiele des Kunsthandwerks der Wiener Werkstätte. Prominente Dauerleihgaben, darunter Bilder der Präraffaeliten Dante Gabriel Rossetti, Edward Burne-Jones und Simeon Solomon, Arbeiten von Auguste Rodin, Ferdinand Hodler, Max Klinger, Fernand Khnopff, Henri Le Sidaner oder Franz von Stuck sind ebenso wie Neuerwerbungen, darunter bedeutende Schenkungen aus privater Hand, u.a. von Makart, Klimt, Schiele und Oppenheimer, wichtiger Bestandteil dieser Präsentation und ermöglichen dadurch den Blick auf internationale Netzwerke und Inspirationsquellen des Wiener Kunststandortes um 1900.
Die neue permanente Präsentation Vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit knüpft chronologisch und thematisch an die Wien 1900 Ausstellung an, indem sie österreichische und deutsche Strömungen der Kunst des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts in einen Dialog setzt. Gezeigt werden Werke des Deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit in Deutschland sowie ausgewählte Arbeiten expressionistischer und neusachlicher Künstler*innen aus Österreich. Der Expressionismus deutscher Prägung ist u.a. mit Werken von Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Paula Modersohn-Becker, Gabriele Münter, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein, Erich Heckel oder August Macke präsent. Die Neue Sachlichkeit, am Puls der („Goldenen“) Zwanzigerjahre, betrachtete das Geschehen auf eine völlig neue Weise - unsentimental, nüchtern, konkret und puristisch, kurz: auf eine sachlich realistische Art. Die in der Präsentation gezeigten Werke von George Grosz, Christian Schad, Otto Dix, Grethe Jürgens, Rudolf Schlichter, Carlo Mense, Felix Nussbaum oder etwa Karl Hubbuch bannten den Zeitgeist auf Leinwand. Als österreichische Pendants sind Werke von Herbert Ploberger, Otto Rudolf Schatz oder etwa Franz Sedlacek zu sehen.
Laufende Ausstellungen
Hervorzuheben unter den neusachlichen Künstlern ist auch Rudolf Wacker, dem das Museum noch bis 16. Februar die bislang umfassendste Retrospektive Magie und Abgründe der Wirklichkeit widmet. Bis 9. März wird erstmals darüber hinaus noch eine erlesene Auswahl von 250 Exponaten aus dem rund 11.000 Objekte umfassenden Archivbestand des Möbel- und Dekorstoffproduzenten Backhausen im Rahmen der Ausstellung Poesie des Ornaments. Das Backhausen-Archiveiner breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Mit seinen innovativen Produkten wurde Backhausen als erste Adresse für experimentelles Textildesign zum maßgeblichen Teil des kulturellen Phänomens ‚Wien 1900‘. Für das Unternehmen entwarfen herausragende Designer*innen, Architekten und Kunstschaffende der Wiener Moderne wie Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, Koloman Moser, Josef Hoffmann, Else Unger, Jutta Sika, Otto Prutscher, Dagobert Peche oder My Ullman.
PROJEKTE
Mit der im Bereich vor dem Shop neu geschaffenen Hoffmann-Lounge würdigt das Leopold Museum den Architekten und Designer von Weltgeltung Josef Hoffmann (1870-1956) als bedeutenden Vertreter der Wiener Moderne. 1901 ging dieser eine mehr als vier Jahrzehnte andauernde Kollaboration mit dem Textilhersteller Backhausen ein. Für die Herstellung der Vorhänge und Teppiche der in Zusammenarbeit mit BWM Designers & Architects konzipierten Lounge wurde ein im Jahr 1909 entworfenes, nie produziertes Backhausen-Dessin herangezogen. Fauteuils und Sofas, die auf einen zukunftsweisenden Entwurf des Gestalters von 1910 zurückgehen, bieten ein Paradebeispiel für sein Leitmotiv des Quadrats. Die sphärischen Deckenleuchten variierte Hoffmann in verschiedenen Größen und integrierte sie mehrfach in seinen Interieurs.
Das Leopold Museum arbeitet kontinuierlich an der Erweiterung der ONLINE SAMMLUNG. Nach zwei Jahren sind bereits rund 2.500 Datensätze online, die bis jetzt von mehr als 145.000 Usern aus aller Welt genutzt wurden. Laut Leopold Museum-Direktor Hans-Peter Wipplinger „ist die ONLINE SAMMLUNG ein essentieller Baustein innerhalb der musealen Strategie, Informationen und Forschungsergebnisse auch jenseits der physischen Grenzen anzubieten. Zu den musealen Kernaufgaben zählen das Sammeln, Erforschen und Konservieren ebenso wie das Präsentieren und Vermitteln vor Ort und mittels Erweiterung im digitalen Raum.“ Mit Anfang des Jahres 2025 erhöht das Leopold Museum durch die erfolgreiche Anbindung an die Online Portale zum kulturellen Erbe Kulturpool und Europeana die Webpräsenz und macht eine erlesene Auswahl an Werken der Sammlung zugänglich.
Die Rechercheplattform Egon Schiele Datenbank der Autografen (ESDA) umfasst rund 2.940 Objekte, darunter Briefwechsel aus dem privaten Umfeld und der Künstler*innenkollegenschaft Egon Schieles, Korrespondenz mit Kunsthändlern, Ausstellungshäusern und Sammler*innen, Gedichte, Tage- und Notizbucheinträge, Skizzenbücher u.v.m. Die ESDA wurde in den Jahren 2008 bis 2010 im Auftrag des damaligen Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (heute BMKÖS) erstellt, von der Leopold Museum-Privatstiftung konzipiert und von dieser kontinuierlich gepflegt sowie erweitert. Nach einem Relaunch steht die ESDA nun mit grundlegend überarbeiteter Nutzungsoberfläche zur Verfügung. Die Website wurde um eine ausführliche Ausstellungshistorie erweitert, ebenso um eine umfangreiche Bibliografie, welche von zeitgenössischen Rezensionen, Katalogen bis zu gegenwärtiger Literatur reicht.
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