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SARS-CoV-2 infiziert Zellen über virale Türöffner, die bei Älteren, Männern und Rauchern vermehrt vorkommen

SARS-CoV-2 infiziert Zellen über virale Türöffner, die bei Älteren, Männern und Rauchern vermehrt vorkommen
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SARS-CoV-2 infiziert Zellen über virale Türöffner, die bei Älteren, Männern und Rauchern vermehrt vorkommen

Aus einer neuen Studie geht hervor, welche Zelltypen aufgrund ihrer Genexpression mit SARS-CoV-2 infiziert werden können. Die Studie stellt außerdem fest, dass die Zellen älterer Personen, von Männern und Rauchern vermehrt virale Türöffner für das Coronavirus besitzen. Dies könnte eine Erklärung für schwerere Verläufe von COVID-19 in diesen Gruppen sein. Die Autorinnen und Autoren der Studie sind Teil des Human Cell Atlas Lung Biological Network und u.a. am Helmholtz Zentrum München, dem Broad-Institut von MIT und Harvard, dem Wellcome-Sanger-Institut und am University Medical Center Groningen ansässig.

Der Krankheitsverlauf von COVID-19 ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. SARS-CoV-2 befällt nicht nur die Lunge, auch weitere Organe sind Ziel des Coronavirus. Seit Beginn der Pandemie berichteten Kliniken, dass insbesondere ältere Personen, Männer und Raucher dazu neigen, schwerere Krankheitsverläufe zu entwickeln. Die molekularbiologische Erklärung dafür war nicht bekannt.

Aus vorherigen Studien weiß man, dass SARS-CoV-2 spezifische virale Türöffner benötigt, um eine Zelle infizieren zu können – nämlich den ACE2-Rezeptor und eine Protease (TMPRSS2 oder CTSL). Wäre zusätzlich bekannt, welche Zelltypen sowohl ACE2 als auch eine Protease exprimieren (also die genetischen Informationen dafür in ein Protein umsetzen), dann wüsste man, welche Zelltypen überhaupt von SARS-CoV-2 infiziert werden können.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Human Cell Atlas Lung Biological Network nahmen sich dieser Frage an. Das internationale Konsortium widmet sich abseits von Corona der Sammlung und Auswertung von Daten zur Genexpression einzelner menschlicher Zellen. Diese Daten nutzten die Forschenden nun, um mehr als 100 Datensätze zur Genexpression einzelner Zellen von gesunden Patientinnen und Patienten für ihre Forschungsfrage zu untersuchen.

Das Ergebnis: Bestimmte Zelltypen im Epithel der Lunge und der Atemwege, aber auch in der Leber, im Dickdarm und im Auge sind reich an genetischen viralen Türöffnern (=hohe Expression von ACE2-Rezeptor und Protease). Zellen in diesen Organen besitzen also die notwendigen Moleküle, um eine SARS-CoV-2-Infektion zu ermöglichen. Außerdem fanden die Forschenden heraus, dass in den Zellen älterer Menschen im Vergleich zu jungen und bei Männern im Vergleich zu Frauen mehr virale Türöffner vorhanden sind. Auch die Zellen von Rauchern (insbesondere die Zellen der Atemwege) besitzen mehr SARS-CoV-2-Türöffner als die von Nichtrauchern. Diese Befunde stimmen mit den Berichten über COVID-19-Erkrankte aus diesen Bevölkerungsgruppen überein. Die Ergebnisse bieten eine molekularbiologische Erklärung für Unterschiede im Schweregrad von COVID-19 (neben anderen Faktoren, die in dieser Studie nicht untersucht wurden, wie ein schwächeres Immunsystem).

Medizinische Forschung braucht Big Data

„Unserer Strategie im Kampf gegen das Virus darf nicht auf einigen wenigen Beobachtungen beruhen. Wir müssen möglichst große Datensätze auswerten um robuste Aussagen treffen zu können. Um beurteilen zu können, ob der ACE2-Rezeptor in Zellen älterer Personen häufiger vorkommt, brauchen wir eine starke Repräsentation vieler verschiedener Individuen in unserem Datensatz. Mit den Daten aus dem Human Cell Atlas konnten wir modellieren, wie sich virale Türöffner in den Zellen der Bevölkerung verteilen”, sagt Malte Lücken vom Helmholtz Zentrum München und Co-Erstautor der Studie.

„Das Besondere an dieser Studie war die große Anzahl von Bioproben. Wir hatten Daten von Menschen in allen Entwicklungsstadien zur Verfügung - von Kindern, jungen Erwachsenen und älteren Personen. Damit hatten wir die einmalige Gelegenheit zu beobachten, welche molekularen Veränderungen im Laufe des Lebens auftreten. Aufgrund des großen Umfangs der Daten konnten wir molekulare Unterschiede in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und Raucherstatus erkennen,” so Kerstin Meyer, eine der Autorinnen des Wellcome-Sanger-Instituts.

„Die Studie macht deutlich, was möglich ist, wenn ein ganzes Forschungsfeld zusammenarbeitet. Innerhalb des Human Cell Atlas-Konsortiums steuerte jeder seine Daten zur gesunden menschlichen Lunge bei – sowohl veröffentlichte als auch unveröffentlichte Daten. Auch weitere Labore über das Konsortium hinaus stellen ihre Daten zur Verfügung. Erst dadurch konnten wir unsere Analysen durchführen”, ergänzt Fabian Theis, Direktor des Instituts für Computational Biology am Helmholtz Zentrum München.

Stärken und Einschränkungen der Studie

Die Studie zeigt, welche Zellen aufgrund ihrer Genexpression von SARS-CoV-2 infiziert werden können. Die Ergebnisse erklären teilweise, warum sich die Schwere der Erkrankung an COVID-19 zwischen Bevölkerungsgruppen aufgrund des molekularen Profils ihrer Zellen unterscheiden kann. Dies schafft einen Ansatzpunkt für weitere Interventionsstudien. In Zukunft könnten die Ergebnisse auch dazu beitragen, die Ausbreitung des Coronavirus im Körper besser zu verstehen. Der Zusammenhang zwischen der Expression des viralen Türöffners und einer erhöhten Infektionsanfälligkeit bzw. Krankheitsschwere wurde bei Mäusen und im Labor gezeigt, bedarf aber einer weiteren Validierung beim Menschen.

Originalpublikation

Muus/Lücken et al., 2021: Single-cell meta-analysis of SARS-CoV-2 entry genes across tissues and demographics. Nature Medicine, DOI: 10.1038/s41591-020-01227-z

Helmholtz Zentrum München

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Forschungszentrum die Mission, personalisierte medizinische Lösungen zur Prävention und Therapie umweltbedingter Krankheiten für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Es erforscht das Entstehen von Volkskrankheiten im Kontext von Umweltfaktoren, Lebensstil und individueller genetischer Disposition. Besonderen Fokus legt das Zentrum auf die Erforschung des Diabetes mellitus, Allergien und chronischer Lungenerkrankungen. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.500 Mitarbeitende und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden in 19 Forschungszentren.

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