ZDF spricht sich für Erhalt von Werbung und Sponsoring im ZDF-Hauptprogramm aus
Mainz (ots)
In der aktuellen medienpolitischen Diskussion wird wieder einmal ein Werbeverzicht des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu Gunsten der privaten Anbieter gefordert. Das ZDF lehnt diese Forderung aus guten Gründen ab:
1) Werbeeinnahmen entlasten den Gebührenzahler
a. Bei Verzicht auf Werbung und Sponsoring müsste die Gebühr um 1,42 Euro erhöht werden
Ein Verzicht auf Werbung und Sponsoring bedingt laut Berechnungen der KEF (15. KEF-Bericht. Bd. 2, S. 17) eine kompensatorische Gebührenerhöhung um 1,42 Euro. Die Ministerpräsidenten und die Länderparlamente haben bei der letzten Gebührenanpassung eine Kürzung der KEF-Empfehlung um 0,21 Euro (plus eine Verschiebung um drei Monate) - unter Hinweis auf die Erhaltung der Sozialverträglichkeit der Gebührenhöhe - vorgenommen. Es steht deshalb nicht zu erwarten, dass sie neben der ohnehin von der KEF empfohlenen Gebührenanpassung um 0,95 Euro nunmehr noch eine weitere Erhöhung um 1,42 Euro zur Kompensation der Einnahmeverluste aus Werbung und Sponsoring vornehmen werden.
Die Länder stehen vor der strategischen Entscheidung, ob sie in erster Linie eine möglichst niedrige Rundfunkgebühr anstreben (was zwangsläufig darauf hinaus läuft, gerade im digitalen Zeitalter auch andere Einnahmequellen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk offen zu halten oder neu zu erschließen - zum Beispiel Entgelte für Handy-TV und Video on Demand-Angebote bei Öffnung des Archivs) oder ob sie einen rein gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen.
b. Die Werbeeinnahmen tragen zur Sozialverträglichkeit der Gebührenhöhe bei
Die öffentlich-rechtlichen Werbeeinnahmen aus den beiden Hauptprogrammen sowie dem Hörfunk belaufen sich auf etwa 500 Millionen Euro p.a. und tragen zur Entlastung des Gebührenzahlers sowie zu einer gesamtgesellschaftlich vertretbaren Höhe der Rundfunkgebühr bei. Ohnehin müssen bereits Mindereinnahmen aus Gebührenbefreiungen in Höhe von rd. 700 Millionen Euro p.a., die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Gebührenbefreiung einkommensschwacher Haushalte ergeben, von den Gebührenzahlern - und nicht, wie bei anderen Sozialleistungen üblich, vom Staat - kompensiert werden.
Diese Situation wird sich in Zukunft nach derzeitigen Erkenntnisstand noch dadurch verschärfen, dass sich die Zahl der gebührenzahlenden Haushalte auch nach der kommenden Gebührenperiode reduzieren wird. Ein Gutachten des Instituts für Rundfunkökonomie aus dem Jahr 2007 prognostiziert für den Zeitraum 2013 bis 2020 einen Rückgang der gebührenzahlenden Haushalte im Fernsehbereich um rd. 6 Prozent und im Hörfunkbereich um rd. 4,5 Prozent, was weitere Gebührenausfälle in dreistelliger Millionenhöhe im Jahr mit sich bringen wird.
Darüber hinaus droht durch den Wechsel des Gebührenerhebungsmodells in Richtung einer Haushaltsabgabe nach derzeitigen Schätzungen ein möglicher Ausfall an Gebühreneinnahmen in Höhe von 150-200 Millionen Euro p.a.
2) Öffentlich-rechtliche Anbieter sichern ein Minimum an Wettbewerb auf dem Fernsehwerbemarkt
Der deutsche Fernsehwerbemarkt wird von einem weitgehend "wettbewerbslosen Duopol" (Zitat Bundeskartellamt) der beiden großen privaten Senderfamilien dominiert, die sich bereits heute fast 90 Prozent des Marktes untereinander aufteilen. Das Bundeskartellamt begrüßte daher im Rahmen des Fusionsverfahrens von Springer AG und ProSiebenSat.1 Media AG ausdrücklich das begrenzte Fernsehwerbeangebot von ARD und ZDF als wettbewerbsfördernd. Im Juni letzten Jahres durchsuchte das Bundeskartellamt die Vermarktungsgesellschaften der beiden großen Senderfamilien wegen Verdachts auf illegale Absprachen und Behinderung des Wettbewerbs. Im Rahmen der Untersuchungen legte das Kartellamt im Herbst RTL und ProSiebenSat.1 eine ganze Reihe von Auflagen für die Vergabe ihrer Werbezeiten sowie ein Bußgeld von insgesamt 216 Millionen Euro auf.
3) Werbetreibende Wirtschaft befürwortet den Erhalt der Werbemöglichkeit bei ARD und ZDF
Die Werbetreibende Wirtschaft tritt für den Erhalt der Werbung bei den öffentlich-rechtlichen ein. Zum einen, um nicht vollständig den beiden großen privaten Senderfamilien ausgeliefert zu sein, und zum anderen, da eine ganze Reihe interessanter Zielgruppen nur über die Fernsehprogramme von ARD und ZDF erreicht werden können. Der Vorsitzende der Organisation Werbetreibende im Markenverband (OWM), Uwe Becker, warnte am 29. Januar 2008 in einer Pressemitteilung: "Eine vollständige Monopolisierung von Werbung und Sponsoring bei privat-kommerziellen Anbietern führt zu Wettbewerbsverzerrungen und Preiserhöhungen." Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbandes, sagte: "Durch ein Werbe- und Sponsoringverbot in ARD und ZDF erreichen Werbebotschaften wichtige Zielgruppen nicht. Dieses ist sehr nachteilig für viele Unternehmen und Marken."
4) Werbeeinnahmen stärken die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Anbieter
Werbung trägt - ebenso wie andere kommerzielle Einnahmequellen - zur Stärkung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei. Dieser Sachverhalt wurde vom Bundesverfassungsgericht im 8. Rundfunkurteil vom 22. Februar 1994 bekräftigt. Ohne Werbeeinnahmen wären ARD und ZDF noch mehr als bisher von unberechenbaren, politischen Umständen abhängig und verlören ein Stück ihrer finanziellen und publizistischen Unabhängigkeit und Staatsferne, darüber hinaus ein Stück wirtschaftlicher Betätigung.
5) Werbung und Sponsoring sind unverzichtbar für den Erwerb von TV-Rechten an sportlichen und kulturellen Ereignissen
Die Möglichkeit, Werbung und Sponsoring anbieten und vermarkten zu können, spielt bei der Verhandlung mit Sportverbänden sowie vermehrt auch bei kulturellen Events eine ganz entscheidende Rolle. Ohne sie wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der ohnehin nicht in dem Maße risikobehaftet mitbieten kann wie kommerzielle Agenturen, nicht mehr wettbewerbsfähig. In der Folge müsste sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus der Übertragung von großen Sportevents sowie einer Reihe von Kulturveranstaltungen verabschieden.
6) Die privaten Senderfamilien sind nicht auf die Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender angewiesen
a. Entgegen anderen Behauptungen ist der Fernsehwerbemarkt nicht rückläufig
Es trifft - obwohl nach wie vor zu hören - nicht zu, dass der Fernsehwerbemarkt weiterhin rückläufig ist. Bereits im Jahr 2006 war ein deutlicher Aufschwung zu verzeichnen. Dieser Trend setzte sich auch im Jahr 2007 fort: Laut Recherchen des Kress-Reports auf Basis von Zahlen von Nielsen Media Research betrugen die Bruttowerbeeinnahmen im deutschen Fernsehen 2007 über 8,7 Mrd. Euro und sind im Vergleich zum vorangegangenen Jahr um 5,3 Prozent gestiegen.
b. Die privaten Anbieter erschließen sich verstärkt neue Einnahmequellen
Ferner ist festzustellen, dass sowohl private Free TV-Anbieter als auch private Pay TV-Anbieter zunehmend auf eine Kombination von Pay TV und Werbung setzen. Beispielhaft hierfür sei auf die digitalen Pay TV-Kanäle der RTL- und der ProSiebenSat.1-Senderfamilie, das (Freischalt-)Entgelt für den digitalen Kabelempfang der kommerziellen Sender (im Satellitenbereich wird mit dem Entavio-Modell von SES Astra ein monatliches Entgelt angestrebt), die vielfältigen Aktivitäten im Bereich des Transaktionsfernsehens (Telefonmehrwertdienste, Gewinnspiele, Wetten, Teleshopping etc.) sowie die entgeltlichen Abrufangebote von Spielfilmen, Serien und Sportübertragungen hingewiesen. Auf der anderen Seite hat der Pay TV-Anbieter Premiere seine Werbung in den Halbzeitpausen von Sportübertragungen kontinuierlich ausgeweitet. Hinzu kommen neue Formen vertikaler Integration von Plattformbetreibern und Inhalteanbietern.
c. Den privaten Anbieter geht es wirtschaftlich hervorragend
Die privaten Senderfamilien sind aufgrund ihrer guten wirtschaftlichen Lage mit angestrebten EBIT-Margen von bis zu 30Prozent nicht auf die Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten angewiesen. Ohnehin kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Werbeeinnahmen von ARD und ZDF gewissermaßen automatisch 1:1 auf private Fernsehanbieter (und Radioprogramme) übergingen, da unterschiedliche Publika angesprochen werden und die werbetreibende Industrie vermutlich zum Teil auf andere Medien ausweichen würde.
7) Der Nettonutzen der Zuschauer bei einem Verzicht auf Werbung wäre gering
Häufig wird vorgebracht, dass ARD und ZDF ihr Profil weiter schärfen und sich noch stärker als bisher von den privaten Anbietern unterscheiden könnten, wenn sie auf Werbung verzichteten. Das ZDF vertritt diese Ansicht nicht, denn es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass ein vollkommener Werbeverzicht in den Augen der meisten Zuschauer/Gebührenzahler große Vorteile bringen würde.
a. Wie Umfragen zeigen, sprechen sich die meisten Zuschauer nicht gegen Werbung an sich aus, sondern nur gegen das Übermaß an Werbung, insbesondere Unterbrecherwerbung, Splitscreenwerbung etc.
b. Für den Zuschauer, der ein bestimmtes Programm wie zum Beispiel die Übertragungen von Spielen der Fußball-Championsleague oder die Free TV-Premiere eines Hollywood-Blockbusters sehen will, ist es kein Vorteil, wenn ARD und ZDF auf Werbung verzichten und die gewünschten Programme im privaten Fernsehen mit Werbung laufen.
c. Auch im Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens besteht bereits heute die Möglichkeit auf eine Vielzahl werbefreier Kanäle auszuweichen (4 Partnerprogramme, 7 Dritte Programme, BR-Alpha, 6 digitale Ergänzungsprogramme). Dennoch lässt sich in der Zeit des Werberahmenprogramms keine vermehrte Abwanderung vom ARD-Gemeinschaftsprogramm und dem ZDF-Hauptprogramm zu diesen werbefreien Angeboten verzeichnen.
Nach den Erkenntnissen der Medienforschung darf bezweifelt werden, ob die Mehrheit der Zuschauer die Frage nach ihrer Bereitschaft für einen Wegfall der Werbung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk höhere Gebühren zu zahlen, bejahen würde.
8) Der gegenwärtige Zeitpunkt wäre für einen Ausstieg denkbar ungünstig
Der gegenwärtige Zeitpunkt könnte für ein Verbot von Werbung und Sponsoring kaum ungünstiger sein:
a. Der digitale TV-Markt ist ein stark expandierender Markt: Neue Verteilwege, erweiterte Programmangebote, Abruffernsehen, mobiles Fernsehen sowie HDTV stellen hohe, auch zusätzliche finanzielle Anforderungen an private wie öffentlich-rechtliche TV-Anbieter. Wer sich diesen gewandelten Zuschauerbedürfnissen verschließt, läuft Gefahr, ganze Nutzergruppen zu verlieren.
b. Gerade das ZDF versucht mit großen Sparanstrengungen einen erheblichen Teil der neuen Erfordernisse der digitalen Welt aus den vorhandenen Mitteln zu stemmen (zum Beispiel Ausbau des Angebots in der ZDF.Mediathek für den 7-Tage-Abruf, Programmverbreitung über neue Plattformen wie IPTV und DMB). Für HDTV, DVB-H sowie die Weiterentwicklung der Digitalkanäle in der digitalen Welt musste jedoch bei der KEF zusätzlicher Finanzbedarf angemeldet werden.
c. Den kommerziellen Programmanbietern geht es wirtschaftlich besser denn je, wie die außerordentlichen Steigerungen der ProSiebenSat.1 Media AG sowie der RTL Group in den Jahren 2003 bis 2006 beim Marktwert (+500 Prozent beziehungsweise +180 Prozent), den Umsätzen (+16,5 Prozent beziehungsweise +26,7 Prozent) und den Gewinnen (+500 Prozent beziehungsweise +4000 Prozent) belegen. Die Gebühreneinnahmen des ZDF sind im gleichen Zeitraum nur um 3,8 Prozent gestiegen.
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