ZDF-Programmhinweis
Freitag, 28. April 2000
Die ZDF-reportage
Mainz (ots)
Freitag, 28. April 2000, 21.15 Uhr
Die ZDF-reportage Wo eine Hand die andere schmiert Von der Korruption unter Russen Von Anke Ritter
Eine Zigarettenverkäuferin steht am Straßenrand in Moskau. Ein Polizist fragt sie nach ihrer Lizenz. Doch sie hat keine. Statt sie zu bestrafen, bedient er sich bei ihr mit einem Päckchen Zigaretten.
Wer von Korruption in Russland hört, denkt im Westen sofort an den russischen Oligarchen-Clan, der seine Gelder in New York wachen lässt, kurz - an die "da oben".
Aber Korruption ist in Russland auch an der Basis eine weitverbreitete Praxis: 145 Millionen Russen überleben mit ihr, leiden an ihr oder unterstützen sie, täglich. Mit 10 bis 100 Dollar für gute Schulnoten, cash in die Hand des Lehrers. Bis zu 20 000 Dollar kostet ein Universitätsabschluss. Für 150 Dollar lassen Polizisten einen auch betrunken weiterfahren. Ein amtlicher Stempel ist von 30 bis 300 000 Dollar zu haben, ob für eine schnelle Passverlängerung oder für ein gefälschtes Gerichtsdokument.
Das alles ist normal in Russland. Täglich wird der Apparat, der seine Bürger schlecht versorgt, mit "Vsiatki" geschmiert - mit dem "Gegebenen", das willig genommen wird.
Vasilij Linzer, der gerade sein Geschichtsstudium abgeschlossen hat, arbeitet in einem neu gegründeten Anti-Korruptionsbüro, dem auch mehrere Duma-Abgeordnete angehören. Vasilij will sich mit der Basiskorruption befassen, die - wie er sagt - so selbstverständlich geworden sei wie Zähneputzen. Angst ist unbekannt, heute mehr denn je.
Denn die alltägliche Korruption hat Tradition in Russland. Nicht zufällig läuft jetzt in fünf Moskauer Theatern der "Revisor" von Gogol, ein Klassiker über Bestechung. Seit eh und je beschützt der Staat seine Bürger und auch seine Beamten so mangelhaft, dass beide zu Meistern der gegenseitigen Selbstversorgung wurden.
Vasilij geht ins Gericht, spricht mit Abgeordneten, macht Radioumfragen und startet Flugblatt-Aktionen. Das Fernziel seiner Organisation ist es, einen Rechtsstaat zu schaffen. Aber das sei mühsam, weiß er, und habe im Westen 300 Jahre gedauert. Und doch sei sein Job sinnvoll, sagt er entschlossen.
Auf den Flugblättern seiner Organisation steht: "Wollen Sie Russland von der Korruption befreien? - Dann hören Sie auf, Schmiergelder zu zahlen." So schwierig und so einfach: In Russland muss das jeder für sich selbst entscheiden - täglich wieder.
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