ZDF-Programmhinweis
Freitag, 16. März 2001, 21.15 Uhr
Mainz (ots)
Die ZDF-reportage In den Klauen der Kälte Katastrophenwinter in der Mongolei Von Joachim Holtz
Wenn der Wind von Norden kommt, dann wittern die Tiere den kalten Tod. Schafe und Kaschmirziegen, Yaks, Pferde und Kamele wenden den Kopf dann hilflos dem Süden zu. Der Frost herrscht schon monatelang über der Mongolei. Vom Oktober bis März bleibt das Thermometer dauerhaft unter Null, sinkt bis zu 50 Grad minus. Fast das ganze Land ist von Schnee bedeckt, aus der sibirischen Taiga fegt der Eissturm herüber.
Und der Frühling, wenn die Jungtiere zur Welt kommen, ist sie die schlimmste Jahreszeit. Dann nehmen die Stürme an Härte und Häufigkeit zu, sie peinigen die abgemagerten und geschwächten Herden, immer mehr verenden. Das Leiden dauert bis zum Juni, erst dann wächst vielleicht das neue Gras.
Zweimal ist ZDF-Korrespondent Joachim Holtz mit seinem Team in die eiskalte Mongolei gereist, Tausende von Kilometern durch Wüste und Steppe, mit dem Geländewagen durch eine meist wegelose weiße Fläche. Gegen die heulenden Schneestürme verpackten Kameramann Daniel Traub und Toningenieur Adam Kerby ihre Geräte in Spezialumhüllungen - der Technik ging es besser als den Hirten und den Herden.
Schon vor einem Jahr überfiel das Wetter die Mongolei mit dem kältesten Winter seit drei Jahrzehnten. Das Land der vielen Herden verlor ein Zehntel seines Viehbestands, 2,6 Millionen. Zuvor hatte die größte Dürre die Weiden ausgetrocknet. Das Gras war schnell verkümmert, Futtermangel ließ die Tiere dürr in den Winter ziehen. In diesem Jahr ist es noch schlimmer. Der "ZUD", wie die Mongolen eine derartige Schnee- und Kältekatastrophe nennen, holt sich seine Opfer massenhaft.
Aber es gibt auch menschliche Ursachen für das Unheil. Seitdem vor zehn Jahren die Mongolei das kommunistische Wirtschaftssystem abschüttelte, suchen immer mehr Menschen den schnellen Gewinn in der Tierhaltung. Eine Flucht aus den Gemeinden in die Steppe hatte eingesetzt. Bis auf 35 Millionen Tiere wuchs der Bestand an. Manche Flächen wurden überweidet, andere blieben leer, zehntausend Brunnen verschwanden. Wo früher die Kooperativen für die Organisation und Gemeinschaftseinrichtungen sorgten, für Winterfutter und die Vermarktung, bewegen die Mongolen sich jetzt auf dem freien Markt. Sie träumen vom Gewinn, der Winter konfrontiert sie mit einer anderen Realität, sie müssen den Schaden nun selbst verkraften. Fast ein Drittel der 2,5 Millionen Mongolen sind Nomaden, weitgehend von den Herden und ihrem Wohlergehen abhängig. Wenn die Tiere leiden, dann leiden auch die Menschen.
Das ZDF-Team erreichte in den Bergen nahe der Kreisstadt Shilustej das Zelt der Familie Galdantserens, im Nordwesten der Mongolei, in der Provinz Zavkan. Dorthin war seit vier Monaten niemand gekommen, kein Arzt, keine Hilfe.
"Mehr als die Hälfte meines Viehs habe ich im letzten Winter verloren, jetzt schon wieder 80 Tiere. Es fällt immer mehr Schnee, unzählige Tonnen seit Oktober." Tag für Tag schaufeln sie den Schnee auf den Hängen weg, weil Tiere sich an der verharschten Oberfläche die Vorderläufe blutig schrammen und nicht an das spärliche Gras kommen. "Wir müssen schon Teile unseres Gers verbrennen, um uns zu wärmen, der Tierdung reicht nicht mehr."
Ger heißt das traditionelle Rundzelt der mongolischen Nomadenfamilien.
Sie hoffen auf Hilfe. Aus mehreren Ländern treffen in manchen Gegenden bereits Transporte ein. Kleidung bringen sie, Medikamente, Generatoren und Öfen, Mehl, Reis und Tierfutter. Auch aus Deutschland kommt Unterstützung. Doch die Katastrophe wird nicht so schnell vorübergehen. Wärmeres Wetter erleichtert die Lebensbedingungen der Nomaden. Den Tieren aber bringt die Sonne noch kein Futter. Der Eissturm hat ihre Zukunft fortgetragen.
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