ZDF-Programmhinweis
Sonntag, 28. April 2013, 18.00 Uhr
ZDF.reportage
Von Job zu Job
Wenn ein Arbeitsplatz nicht reicht
Film von Annette Hoth
Mainz (ots)
Heike S. nennt ihre Situation schlicht "empörend". Die 51-Jährighe findet seit drei Jahren keine feste Stelle mehr. Und das, obwohl sie eine Banklehre, gute Arbeitszeugnisse und jahrzehntelange Erfahrungen in Büro und Buchhaltung vorweisen kann. Notgedrungen nimmt Heike jede Arbeit an, die sie im strukturschwachen Worms überhaupt noch findet - 15 Stunden pro Monat bei der Gemeindeverwaltung, vier Stunden die Woche an der Kasse eines Großhandels, und neuerdings verdient sie sich noch ein paar Euro als Stadtführerin dazu. "Arbeit schändet nicht", sagt sie. "Und heute weiß ich: Ich bin nicht die, die von der Welt abgestraft wird, sondern das ist momentan so. Wir leben in einer Zeit, in der das Wohl der Arbeiter und Angestellten weniger wert ist als die Rendite. Und das ist die Krux. Ich bin beispielhaft für viele andere. Ich bin da nicht allein." Zweieinhalb Millionen Multijobber gibt es in Deutschland. Laut Bundesanstalt für Arbeit sind es noch viel mehr, denn die Statistik erfasst nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, die gleichzeitig noch einen Minijob ausüben. Seit deren Einführung im Jahr 2003 ist die Anzahl der Multijobber rapide gewachsen, sie hat sich verdoppelt. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten aktuell 7,4 Millionen Menschen in Minijobs. Bei Stundenlöhnen von teilweise unter sieben Euro sind immer mehr Menschen gezwungen, ihr Einkommen durch Hartz IV oder einen 450-Euro-Minijob aufzustocken. Während die Bundesregierung voller Stolz vom deutschen Jobwunder spricht, beklagen Gewerkschafter Lohndumping und die Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse. Seit 20 Jahren arbeitet der gebürtige Duisburger Aydin E. als Hochzeitsplaner. Heute rechnet er mit 600 Gästen. Doch bei türkischen Hochzeiten weiß man nie so genau. "Zusagen oder Absagen kennen wir nicht", sagt Aydin E., und so um die 1000 Gäste sind eher die Regel als die Ausnahme. "Oft bringen eingeladene Gäste unangemeldet noch Freunde mit, das ist ganz normal bei uns." Sicherheitshalber hat er 200 Hähnchen mehr bestellt. Doch wird das reichen? "Für den schönsten Tag im Leben eines Paares verantwortlich zu sein, das ist Stress pur", sagt Aydin. Und erwähnt dabei mit keinem Wort, dass er an diesem Samstag bereits acht Stunden Arbeit hinter sich hat. Die Frühschicht bei Thyssen. Morgens kocht der Mann Stahl, abends lässt er Hähnchen grillen. Wenn seine Kollegen im Stahlwerk Feierabend machen, zieht er die Sicherheitsschuhe aus und den Anzug an. "Das Hochzeitsgeschäft läuft gut", sagt der Unternehmer und Stahlarbeiter. "Aber wie lange noch?" Es sind auch Schicksale wie das von Heike S., die Aydin davon abhalten, einen seiner beiden Full-Time-Jobs aufzugeben. "Es ist kurz vor ein Uhr nachts, als er das Licht im Festsaal ausschaltet. Fünf Stunden später beginnt seine nächste Schicht bei Thyssen. Dann wird er statt eleganter Lederschuhe wieder ein Paar mit Stahlkappe tragen. Denn für Aydin gilt nicht nur im Stahlwerk: sicher ist sicher.
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