ZDF-Pressemitteilung
Kein Alibi für Harry W.
ZDF-Dokumentation über einen fragwürdigen Kriminalfall
Mainz (ots)
Was ist in der Nacht des 28. April 1997 in der Nähe von Pforzheim, am Rand des nördlichen Schwarzwaldes, passiert? Die junge Polizistin Andrea Z. wurde in ihrer Wohnung so lange gewürgt, bis sie bewusstlos war. Die 31-Jährige muss jetzt im Rollstuhl leben, hat irreparable Schäden im Gehirn - den Namen des Täters kann sie nicht mehr nennen. Verurteilt hat man ihren Ex-Mann, den Bauzeichner Harry Wörz - umstrittene Indizien gaben den Ausschlag. Die ZDF-Dokumentation "Kein Alibi für Harry W." greift am Dienstag, 16. Oktober 2001, 22.45 Uhr diesen fragwürdigen Fall auf.
Zur Tatzeit lebte Harry Wörz schon ein Jahr von Andrea Z. getrennt. Er gibt an, er sei an dem Tatabend gegen 22.30 Uhr schlafen gegangen, habe das Haus nicht mehr verlassen. Zeugen hat er keine - es gibt kein Alibi für Harry W. Der gemeinsame Sohn Kai war damals zwei Jahre alt und hat die Tat gesehen. Doch bei der Aufklärung des Falls kann er nicht helfen, da sich die Gutachter sicher sind, dass der Junge keine präzisen Erinnerungen mehr haben kann.
Die Polizei muss inzwischen einräumen, dass es bei den Ermittlungen Fehler gab. Das ist von besonderer Bedeutung, denn Andrea Z., ihr Geliebter und ihr Vater, der seine Tochter fand, waren allesamt Polizisten. Die Pforzheimer Kripo ermittelte also gegen ihre eigenen Kollegen. In der Öffentlichkeit löste das erhebliche Zweifel aus. Anfang 1998 wurde Harry Wörz in einem Indizienprozess wegen versuchten Totschlags verurteilt. Ein Motiv fand das Gericht nicht, vier umstrittene Indizien reichten aus, um Harry W. für elf Jahre hinter Gitter zu bringen. Danach starteten seine Freunde eine Kampagne, recherchierten Hintergründe, ermittelten neue Fakten, richteten für ihren Kumpel eine Homepage ein.
Auch die Menschen aus Gräfenhausen, dem Heimatort von Harry Wörz, stehen hinter ihm. Über 10 000 Mark haben sie gesammelt, um ihn zu unterstützen. Im Jahr 2000 folgte noch ein Zivilprozess gegen Harry Wörz. 300 000 Mark Schadensersatz sollte er an seine Ex-Frau Andrea zahlen. Alle Indizien wurden überprüft, am Ende wies der Richter die Klage ab. Das Zivilgericht war von der Täterschaft des Harry Wörz nicht überzeugt.
Dieses Urteil machte ihm Mut: Er beantragte eine Wiederaufnahme seines Strafverfahrens. Noch im Herbst wird das Landgericht Mannheim über diese Wiederaufnahme entscheiden. Wird dem Antrag stattgegeben, kann Harry Wörz zunächst auf freien Fuß gesetzt werden.
Nach "Es geschah beim Schützenfest" (Deutscher Fernsehpreis 2000) eine weitere berührende Geschichte des Berliner Filmemachers Gunther Scholz über ein fragwürdiges Urteil und einen Mann, der vielleicht zu Unrecht im Gefängnis sitzt.
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