Mittwoch, 8. Juni 2005, 22.45 Uhr, Fall Deutschland - 1. Das Wirtschaftswunder
Donnerstag, 9. Juni 2005, 22.15 Uhr, Fall Deutschland - 2. Der Weg in die Krise
Mainz (ots)
Mittwoch, 8. Juni 2005, 22.45 Uhr Fall Deutschland 1. Das Wirtschaftswunder Film von Stefan Aust und Claus Richter
Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts: Ein wirtschaftliches Schwergewicht ist auf dem Weg nach unten. Rund fünf Millionen Arbeitslose und immer noch kein Aufschwung in Sicht - warum finden wir keinen Weg aus der Krise?
Stefan Aust und Claus Richter suchen in ihrer dreiteiligen Dokumentation nach Gründen für die Misere und stellen fest, dass Fehler schon früh im System der jungen Bundesrepublik angelegt wurden. Schleichend und von den Bürgern unbemerkt begann der Abstieg, als alle noch vom Wohlstand der Wirtschaftwunderjahre zehrten. Aus wahltaktischen Gründen wurde die Wahrheit um die wirtschaftlichen Zusammenhänge ausgeblendet - und das im stillschweigenden Einvernehmen von Parteien und Lobbys von links bis rechts.
Erst langsam dringt ins öffentliche Bewusstsein, dass komfortable Existenzbedingungen auch bezahlt werden müssen. Basis dafür ist eine funktionierende Volkswirtschaft, doch davon ist Deutschland weiter entfernt denn je. "Wenn wir auf Jahrzehnte so weiterfahren wie bisher, dann muss ich für unser Vaterland schwarz sehen", so formuliert es Altkanzler Helmut Schmidt im Gespräch mit Stefan Aust und Claus Richter. Für die Dokumentation interviewten die renommierten Autoren prominente Zeitzeugen aus Politik und Wirtschaft, aus Gewerkschaften und Forschungsinstituten. Erstaunlich ist die übergreifende Einsicht in Fehler und Versäumnisse, auch das eigene Handeln betreffend. Filmische Rückblicke in die Geschichte der Bundesrepublik beleuchten die Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft von der Nachkriegs- und Adenauerzeit über die reformeuphorische Ära Brandt, das Krisenmanagement Helmut Schmidts, die lange Amtszeit Helmut Kohls mit dem Glück und der Bürde der Einheit bis in die Gegenwart.
Ein moderner ICE rast durch die Republik, doch hinter den Kulissen der Modelleisenbahn-Landschaft knirscht es: Märklin, einer der größten Hersteller von Spielzeugloks, kämpft auf dem globalen Markt. Die Arbeitsplätze im deutschen Stammwerk sind nicht mehr sicher. Was droht den Beschäftigten? Werden sie am Ende Hartz IV-Empfänger werden? Märklin ist jahrzehntelang ein Musterbetrieb gewesen, nun kann er als Modellfall für den deutschen Abstieg dienen. Dabei hatte alles so wunderbar angefangen, vor beinahe sechs Jahrzehnten.
Es begann mit neuem Geld. Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tritt im Juni 1948 die Währungsreform für die Westzonen in Kraft. Die D-Mark beendet die Bewirtschaftung und den Schwarzmarkt und gibt den Startschuss für einen Aufschwung, der seinesgleichen sucht. Ab 1950 wächst das Bruttosozialprodukt jährlich um 7,6 Prozent. Die Gewerkschaften geben sich mit moderaten Löhnen zufrieden und die Unternehmern investieren ihre Gewinne, beides zusammen sichert den Aufschwung. Ihre Ikonen heißen Volkswagen, Grundig, Neckermann oder Horten, ihre politischen Väter Kanzler Konrad Adenauer und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard.
Doch die Erfolge verleiten die Verantwortlichen zu schwerwiegenden Fehlern. Mitte der 50er Jahre hat die Regierung Überschüsse in Milliardenhöhe in der Staatskasse. Die Regierung beschließt deshalb eine Jahrhundertreform für die Rentner. Der Grund: Es stehen Wahlen an, und Kanzler Adenauer möchte im Palais Schaumburg bleiben. Also verspricht er den Senioren die dynamische Rente, die an die aktuelle Lohnentwicklung gekoppelt ist und monatlich ausgezahlt wird. Ludwig Erhard und andere Experten warnen vor diesem Konzept, weil es auf Dauer nicht finanzierbar ist. Doch der Alte wischt die Bedenken beiseite: "Kinder kriegen die Menschen immer", sagt er. Als der Bundestag im Januar 1957 die Rentenreform beschließt, ist der erste sozialpolitische Sündenfall der jungen Republik verabschiedet.
Doch angesichts von Vollbeschäftigung und scheinbar grenzenlosem Wachstum bauen die Regierungen Adenauer und Erhard den Sozialstaat weiter kräftig aus - nach dem gleichem Muster. Steht eine Wahl an und muss die Macht gesichert werden, wird vorher das soziale Füllhorn ausgeschüttet.
Die Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger fasst einen weiteren, folgenschweren Beschluss: Sie ändert mit der Finanzverfassungsreform das Grundgesetz. Damit bekommen die Bundesländer ein erhebliches Mitspracherecht an der Vergabe von Steuereinnahmen. "Ein großer Fehler", sagt Altkanzler Helmut Schmidt heute. Zwei Drittel aller wichtigen Gesetze sind im Bundesrat zustimmungspflichtig. Deutschland wird zur gelähmten Republik, denn so kann die Länderkammer der Bundesregierung bei jeder Reform Knüppel zwischen die Beine werfen.
Donnerstag, 9. Juni 2005, 22.15 Uhr Fall Deutschland 2. Der Weg in die Krise
Film von Stefan Aust und Claus Richter
Als Willy Brandt und Walter Scheel nach dem knappen Wahlausgang 1969 ihre sozial-liberale Koalition bilden, erfasst eine beinah euphorische Stimmung die politischen Akteure. Auf der Agenda ganz oben: die Ostpolitik, die rasch in Verträge mit Polen, der UdSSR, der CSSR und auch im Grundlagenvertrag mit der DDR mündet; im Windschatten der außenpolitischen Offensive aber machen sich die Koalitionäre - mit kräftiger Hilfe der Unionsfraktionen - daran, die vermeintlichen sozialen Schieflagen im Wirtschaftswunderland mit allerlei Gesetzen zu korrigieren. BAföG, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, 624-Mark-Gesetz, Wohngeldgesetz heißen die Marksteine, die den Bundesbürgern einen warmen Geldregen bescheren - und den Bundeshaushalt bis weit in die Zukunft belasten. Die "Willy"- Wahl 1972 wird zum Triumph für den Nobelpreisträger, der Rest seiner Amtszeit wird von Krisen überschattet. Nach dem Jom-Kippur-Krieg zieht die OPEC die Ölpreise an, die Bundesrepublik schlittert wie die anderen Industrienationen in die Krise, die von manchen unbemerkt bleibt. So setzt die Gewerkschaft ÖTV im Frühjahr 1974 elfprozentige Lohnerhöhungen durch - gegen Brandt, der wenig später enttäuscht zurücktritt.
Helmut Schmidt versucht in seiner Kanzlerschaft, das Land auf neue Umstände einzustellen; der Hamburger forciert die internationale Währungspolitik, und wird daheim vor allem von seiner Partei im Stich gelassen. Jeder Versuch, die Verpflichtungen des Staates zu begrenzen, wird von den Genossen torpediert. Im Schatten von RAF- Terror und zweiter Ölkrise rationalisieren die deutschen Unternehmen, Vollbeschäftigung haben seitdem nur noch die Arbeitsämter - und die Roboter, die in immer mehr Werkshallen die Menschen verdrängen. Textil, Optik, Werften, ganze Branchen sterben.
1982 kann der Hamburger Kanzler den Spagat zwischen Koalitionspartner FDP, linken Genossen, den eigenen Vorstellungen zur Nachrüstung und dem dauernden Krisenmanagement nicht mehr durchhalten. Die FDP läuft zum Gegner über - die Ära Kohl beginnt.
Und der macht, bis auf wenige Ausnahmen, eigentlich so weiter wie bisher. Ein paar Kürzungen hier, ein paar Umschichtungen dort, der Haushalt wird auch Dank anziehender Konjunktur halbwegs in Ordnung gebracht. Und an die siebenstelligen Arbeitslosenzahlen hat man sich gewöhnt.
"Wir haben geglaubt, wir können lustig weiterverteilen, weil wir geglaubt haben, der Kuchen wächst von allein", so beschreibt es heute der Bankmanager Hilmar Kopper.
Honeckers marode DDR bekommt ihre Milliardenkredite, die IG Metall kämpft für die 35 Stunden-Woche - in dieser Zeit übernimmt ein vergleichsweise junger Politiker die Geschäfte im Kreml. Michail Gorbatschows Politik sorgt binnen fünf Jahren für die größte politische Umwälzung seit dem Zweiten Weltkrieg. Als die Mauer fällt, ahnt keiner der westdeutschen Manager und Politiker, die vor kurzem noch über die Leipziger Messe geschlendert sind, dass auf sie eine Herausforderung wartet, deren Dimension damals unüberschaubar ist.
Teil 3, "Die globale Herausforderung", wird am Sonntag, 12. Juni 2005, 21.45 Uhr, ausgestrahlt.
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