ARD und ZDF lehnen Verschlüsselungspläne der Privaten ab
So genannte "Grundverschlüsselung" ist Etikettenschwindel
Mainz (ots)
Der Vorsitzende der ARD, Thomas Gruber und ZDF-Intendant Markus Schächter haben heute der Rundfunkkommission der Länder, vertreten durch deren Vorsitzenden Ministerpräsidenten Kurt Beck ein Positionspapier übermittelt, in dem sie der geplanten und so genannten "Grundverschlüsselung" durch den Satelliten-Betreiber SES- Astra eine klare Absage erteilen.
SES-Astra hatte im Februar 2006, zusammen mit den kommerziellen TV- Anbietern der RTL-Group sowie der Sendergruppe Pro7/SAT1 angekündigt, ab nächstem Jahr deren Programme nur noch "grundverschlüsselt" digital per Satellit auszustrahlen.
Mit ihrer Stellungnahme an die Rundfunkkommission der Länder zeigen ARD und ZDF auf, dass diese "Grundverschlüsselung" ein Etikettenschwindel ist. Letztlich, so Schächter und Gruber, gehe es um nichts anderes, als den Einstieg in weit reichende Pay-TV Angebote vorzubereiten. Damit würde der von allen gewünschten Digitalisierung des Fernsehens in Deutschland ein schlechter Dienst erwiesen. ARD und ZDF hoffen, mit ihren Argumenten und Fakten gegen jedwede Art von Verschlüsselung des Free-TV die Diskussion auf eine breitere Basis stellen zu können.
In dem umfangreichen Diskussionspapier werden die verschiedenen negativen Auswirkungen der Verschlüsselungspläne aufgezeigt. Unter anderem heißt es darin:
Der Begriff "Grundverschlüsselung" ist Etikettenschwindel: Es geht nicht um die Förderung der Digitalisierung oder um eine technische Maßnahme, sondern um den Einstieg in die Entwicklung kommerzieller pay-Geschäftsmodelle.
Mit der "Grundverschlüsselung" droht eine digitale Spaltung der Bevölkerung. Das deutsche Mediensystem mit seinem breiten und vielfältigen free-tv-Angebot würde grundlegend verändert.
Die "Grundverschlüsselung" ist nicht zum Schutz vor Piraterie erforderlich. Urheberrechtliche Vorschriften eröffnen gerade die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verbreitung von Rundfunk. Gebietsabschottungen widersprechen grundlegenden europäischen Prinzipien.
Die "Grundverschlüsselung" bürdet jedem Zuschauer die Kosten einer für die Nutzung von pay-tv-Angeboten notwendigen Infrastruktur zwangsweise auf.
Die Adressierbarkeit der Endgeräte wirft erhebliche u. a. datenschutzrechtliche Risiken auf (Steuerung des Verbrauchers und Überwachung seines Verhaltens).
Die Freischaltung von free-tv-Angeboten beweist, dass eine "Grundverschlüsselung" nicht notwendig ist. Schon heute können digitale Entgeltangebote individuell adressiert und abgerechnet werden.
Auch in unseren Nachbarstaaten gibt es keineswegs eine "Grundverschlüsselung" von free-tv gegen gesondertes monatliches Entgelt. Dessen ungeachtet ist die Situation in anderen europäischen Staaten nicht mit der deutschen vergleichbar.
Dem Jugendschutz kommt bei der "Grundverschlüsselung" nur eine Alibi- Funktion zu: Alles, was technisch und programmlich möglich ist, soll nutzbar werden, ohne dass zuverlässig verhindert werden könnte, dass Minderjährige Zugang zu sie gefährdenden Inhalten haben.
Die "Grundverschlüsselung" hemmt Ausbau und Nutzung aller digitalen Verbreitungswege. Die Einführung einer Verschlüsselung begünstigt nicht die Einführung neuer Entwicklungen, sondern neuer Geschäftsmodelle.
Die "Grundverschlüsselung" ist auch unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten bedenklich: Es sollen technische Standards durchgesetzt werden, ohne dass die Spezifikation nachvollziehbar ist. Decoderhersteller werden behindert, kleinere Sender diskriminiert.
Die "Grundverschlüsselung" zielt auf eine Marktabschottung und schafft Abhängigkeiten sowohl der Endgerätehersteller als auch nicht beteiligter Programmanbieter.
Die "Grundverschlüsselung" ist nicht erforderlich, um Investitionen zu finanzieren.
Der Verweis auf Entgeltmodelle im Bereich der Kabelweiterverbreitung sowie über DSL verfängt nicht.
Die "Grundverschlüsselung" würde der Medienkonzentration aufgrund der zunehmenden vertikalen Integration der Beteiligten weiter Vorschub leisten.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss für jeden frei, ohne zusätzlichen wirtschaftlichen oder technischen Aufwand empfangbar sein. Er kann daher weder auf eine verschlüsselte Verbreitung noch auf verbleibende Verbreitungswege verwiesen werden.
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