ZDF-Magazin "Frontal 21": Pfusch beim Zahnersatz
Qualitätsmängel aus betriebswirtschaftlichen Gründen
Mainz (ots)
Die große Mehrheit des Zahnersatzes in Deutschland entspricht nicht den Regeln der ärztlichen Kunst. Zahnlabore klagen, dass ihnen die Zahnärzte häufig mangelhafte Gebissabdrücke anliefern. 80 Prozent der Abdrücke, die er von Zahnärzten erhalte, seien fehlerhaft, kritisiert der Inhaber eines großen deutschen Zahnlabors gegenüber dem ZDF-Magazin "Frontal 21" in der Sendung am Dienstag, 19. September 2006, 21.00 Uhr.
Auch Professor Bernd Wöstmann von der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik der Universität Gießen stellt fest, dass es an der Qualität von Zahnersatz mangelt. Qualitätsmerkmal sei die so genannte "Randspaltenbreite" zwischen präpariertem Zahn und der Zahnkrone. Bei einem gut sitzenden Zahnersatz betrage diese Randspaltenbreite rund 100 Mikrometer. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge beträgt die durchschnittliche Randspaltenbreite in Deutschland aber 400 Mikrometer. Bei dieser Passungenauigkeit liege das Risiko von Zahnfleisch-Entzündungen bei 50 Prozent. Die Folge seien Karies und Parodontose.
Standesvertreter der Zahntechniker-Innung bestätigen die "größtenteils fehlerhafte Vorarbeit von Zahnärzten". Vor allem die Gebissabdrücke seien regelmäßig von so schlechter Qualität, dass Zahntechniker sie eigentlich an den Zahnarzt zurückschicken müssten. "Unser Problem ist aber, dass wir in völliger Abhängigkeit stehen vom Zahnarzt. Durch Kürzungen im Gesundheitswesen und Billig- Zahnersatz aus dem Ausland stehen wir mit dem Rücken zur Wand. Wenn wir bei dem Pfusch nicht mitmachen, kündigt uns der Zahnarzt die Zusammenarbeit auf und wir haben gar keine Arbeit mehr", sagt der Landesvorsitzende einer Zahntechniker-Innung, der anonym bleiben will, weil auch er sich "Ärger mit den Zahnärzten nicht leisten" könne.
In vielen Zahnarztpraxen in Deutschland werde "nicht sorgfältig genug gearbeitet", meint auch Zahnarzt Martin Radwan aus Windhagen und fügt hinzu: "In Deutschland sind 80 bis 90 Prozent der Zahnkronen und Brücken mangelhaft, weil Zahnärzte unter einem enormen Zeit- und Kostendruck stehen." Professor Wöstmann nennt ebenfalls "betriebswirtschaftliche Gründe" als Ursache für den unpräzisen Zahnersatz: "Ein Zahnarzt braucht mindestens eine Stunde, um eine Zahnkrone sorgfältig vorzubereiten und später einzugliedern. Das zahnärztliche Honorar, das er für einen Kassenpatienten erhält, reicht aber bei weitem nicht, um eine Zahnarztpraxis aufrecht zu erhalten."
Jürgen Fedderitz, Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, bestreitet Qualitätseinbußen. Er halte den Disput um Randspaltenbreiten beim Zahnersatz für einen "akademischen Streit". Für die Regelleistung bei gesetzlich Versicherten bekomme der Zahnarzt ein "sicherlich suboptimales Honorar, aber der Patient auf jeden Fall eine angemessene Leistung".
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