CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Koschyk: Interessengerechte und
pragmatische Lösung bei Rückgabe kriegsbedingt verlagerter
Archivbestände anstreben
Berlin (ots)
Zu den Verhandlungen mit Polen über die Rückgabe kriegsbedingt verlagerter Archivbestände erklärt der vertriebenenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk MdB:
Seit dem Inkrafttreten des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages von 1991 verhandeln Deutschland und Polen über die Rückgabe kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter, wozu auch Archivalien zählen. Bislang unvereinbare Positionen haben die Verhandlungen langwierig gestaltet. Die aus deutschen und polnischen Wissenschaftlern, Publizisten und Journalisten bestehende "Kopernikus-Gruppe" hat unlängst Vorschläge zur Lösung des Problems vorgelegt. Diese sehen mit Blick auf die streitbefangenen Archivalien entgegen völkerrechtlichen Gewohnheiten vor, das personale Herkunftsprinzip nur bei Archivalien anzuwenden, denen heute noch eine juristische Bedeutung zukommt. In der Praxis bedeutete dies: Lediglich Akten aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches mit aktueller juristischer Relevanz würden in die Bundesrepublik Deutschland überführt oder hier verbleiben.
Auf meine Parlamentsanfrage hin hat die Bundesregierung die Vorschläge der Kopernikus-Gruppe eher skeptisch beurteilt und zu Recht betont, dass Lösungen auch interessengerecht sein sollten. Zu ergänzen ist, dass sie auch völkerrechtskonform sein müssen. Bei den Verhandlungen über die Rückgabe von Archivalien vertritt die deutsche Seite das international praktizierte personale Herkunftsprinzip. So befinden sich z.B. die Akten der alliierten Besatzungsverwaltungen in Deutschland aus der Zeit zwischen 1945 und 1949 nicht etwa in deutschen Hauptstaatsarchiven, sondern selbstverständlich in den Zentralarchiven ihrer jeweiligen Heimatstaaten.
Polen hat hingegen einen Standpunkt entwickelt, der es offensichtlich ermöglichen soll, Anspruch auf einen möglichst großen Teil der Archivalien aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches erheben zu können. Zum einen gehören nach Auffassung der polnischen Seite ungeachtet staatlich-administrativer Zusammenhänge oder Fragen der Bevölkerungskontinuität Archivalien an den Ort, an dem sie einstmals entstanden sind. Danach wäre die gesamte archivalische Überlieferung aller preußischen und deutschen Behörden, die ihren Sitz in einer heute in Polen liegenden ehemals deutschen Region hatten, und die sich heute in der Bundesrepublik Deutschland befindet, an Polen abzugeben. Zum anderen vertritt Polen mit Blick auf die Provinz Ostpreußen ein "Anteilsprinzip": Diese Provinz gehöre heute zu etwa drei Fünfteln Polen. Daher stünden Polen nicht nur die Archivalien der Behörden aus dem südlichen Ostpreußen zu, sondern auch solche aus Königsberg.
Beide Argumentationslinien sind unvereinbar. Im Falle der Provinz Brandenburg wird von Polen ausschließlich auf dem ersten Prinzip bestanden, indem etwa der Archivbestand einer oberen Provinzialverwaltungsbehörde mit Sitz in Küstrin beansprucht wird, obwohl der größere Teil der Provinz Brandenburg bei Deutschland verblieben ist. Im Falle Ostpreußens hingegen wird auf den heute größeren Anteil Polens an dieser Provinz abgestellt, woraus Ansprüche auf die gesamten Archivalien der obersten und oberen Behörden dieser Provinz abgeleitet werden. Im Übrigen greifen die polnischen Ansprüche weit über kriegsbedingt verlagerte Archivbestände hinaus.
Der polnische Standpunkt ist nicht nur unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten fragwürdig, sondern auch unter fachlichen: Es stellt sich nämlich die Frage, ob die polnische Seite fachlich und sprachlich mit den deutschsprachigen Archivalien angemessen umzugehen versteht und deren wissenschaftliche Auswertung in geeigneter Weise betreiben könnte. Bevor jedoch die Bundesregierung aus politischen Überlegungen heraus Neigung zeigen sollte, auf die polnischen Forderungen einzugehen, sollte sie der polnischen Seite einen pragmatischen Lösungsansatz vorschlagen. So sind heutzutage Verfilmung und Digitalisierung von Archivgut erprobte Wege, archivalische Quellen bereitzustellen. Die vom Internationalen Archivrat, einer Unterorganisation der UNESCO, entwickelte Idee des "Gemeinsamen Erbes" verzichtet darauf, den Austausch von Archivalien vorzusehen. Statt dessen spricht sich dieses Konzept dafür aus, der jeweils anderen Seite Mikrofilme, die rechtlich in ihrer Benutzbarkeit und Auswertbarkeit den Originalen gleichgestellt werden, zu überlassen. Ein solcher Weg würde es ermöglichen, die bislang fruchtlose völkerrechtliche Auseinandersetzung in die Bahnen einer konstruktiven wissenschaftlichen Zusammenarbeit zu lenken. Denn letztlich geht es um den möglichst unbehinderten Zugang zu den Archivalien.
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