Wöhrl: Keine Phantomängste schüren
Berlin (ots)
Zu den aktuellen Änderungs-Forderungen im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie erklärt die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Dagmar G. Wöhrl MdB:
Eine Fundamentalopposition gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die neben berechtigten Sorgen auch übertriebene Phantomängste schürt, ist verfehlt. Sie übersieht die Chancen einer Liberalisierung gerade für Deutschland.
Wir haben im Dienstleistungsbereich ein enormes Exportpotential, das derzeit nicht annährend ausgeschöpft ist. Obwohl die deutschen Dienstleistungsbringer besonders leistungsstark und überdurchschnittlich produktiv sind, werden jährlich Dienstleistungen im Wert von 47,78 Mrd. mehr eingeführt als ausgeführt. Das liegt u.a. daran, dass es unser sehr liberales Gewerberecht ausländischen Dienstleistern schon heute sehr einfach macht, in Deutschland tätig zu sein, während deutsche Unternehmen durch schikanöse bürokratische Hürden in anderen EU-Staaten gebremst werden.
Die Öffnung des europäischen Marktes für Dienstleistungen würde deshalb vor allem die Absatzchancen deutscher Unternehmen im europäischen Ausland explosionsartig steigern und zur Schaffung von schätzungsweise mehreren 100 000 Arbeitsplätzen führen.
Die andere Seite der Medaille ist aber auch, dass die Liberalisierung Wettbewerbern den Zutritt zum deutschen Markt noch mehr erleichtern würde als es jetzt schon der Fall ist. Hier müssen wir natürlich einem möglichen Sozial- und Umweltdumping sowie einer Nivellierung von Qualitätsstandards durch wirksame Ausnahmen und ausreichenden Schutz nationaler Sicherungsniveaus einen Riegel vorschieben.
Leider hat es hier die Bundesregierung bis heute nicht geschafft, substantiellen Einfluss auf die laufenden Verhandlungen zu nehmen, obwohl der Richtlinienvorschlag seit einem Jahr auf dem Kabinettstisch verstaubt.
Dass existenzielle Interessen Deutschlands regelmäßig verschlafen werden, haben wir schon bei der Dienstleistungsfreiheit gegenüber den neuen Beitrittsstaaten erlebt, die nur für den Bau- und Reinigungssektor ausgesetzt wurde. Da keine flächendeckenden Schutzregelungen ausgehandelt wurden, haben sich durch die zahlreichen verbleibenden Lücken Missstände wie etwa im Fleischergewerbe eingeschlichen.
Damit auch bei der Dienstleistungsrichtlinie solche eklatante Versäumnisse vermieden werden, muss man jetzt handeln. Medienwirksam inszenierte Appelle an EU-Kommissionspräsident Barrosso bringen nichts, solange der ehemalige Befürworter und heutiger Bedenkenträger Schröder außer einem Zick-Zack-Kurs noch nicht mal eine abgestimmte Haltung der Bundesregierung gegenüber dem Europaparlament vortragen kann.
Ich fordere die Bundesregierung auf, statt vereinzelter widersprüchlicher Forderungen ein durchdachtes Änderungspaket im Interesse Deutschlands auf europäischer Ebene durchzusetzen. Insbesondere muss man darauf drängen, dass trotz Herkunftslandprinzip die lokalen Behörden vor Ort die ausländischen Unternehmen kontrollieren dürfen. Es ist realitätsfremd zu glauben, dass die Behörden des Herkunftslandes in der Lage oder motiviert wären, die eigenen Dienstleister im Ausland zu überwachen. Auch muss explizit klar gestellt werden, dass die Dienstleistungsrichtlinie die Mitgliedstaaten nicht zur Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge zwingt. Um auch andere sensible nationale Bereiche zu schützen, muss durch eine abschließende Positivliste den Anwendungsbereich des Herkunftslandsprinzips genau präzisiert werden. Den berechtigten Bedenken des Handwerks und der freien Berufe muss Rechnung getragen werden, indem klargestellt wird, dass sich die Anerkennung der Berufsqualifikation ausschließlich nach der Qualifikationsrichtlinie und nicht nach dem Herkunftslandprinzip richtet.
Wir müssen bei der Dienstleistungsrichtlinie Risiken minimieren und Chancen maximieren und zwar durch eine aktive und ausgewogene Einflussnahme, nicht durch hektischen Aktionismus nach dem langen Winterschlaf. Die Bundesregierung muss handeln. Jetzt.
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