Die Energiewende verlangsamt sich
München / Boston (ots)
Laut einer aktuellen globalen Studie von L.E.K. Consulting verlagern sich Investitionen in aufstrebende Energietechnologien, da sich die Öl- und Gasindustrie auf das Kerngeschäft und die Dekarbonisierung des Erdölbereichs konzentriert. Solar- und Windenergie wachsen weiter.
Im Vergleich zu den Vorjahren haben Energieunternehmen 2023 die Priorität stärker auf Öl und Gas als auf neue Energiebereiche gesetzt. Dies deutet darauf hin, dass die Dynamik der Energiewende, weg von fossilen Brennstoffen, nachlässt. Das geht aus einer weltweiten Studie der globalen Strategieberatung L.E.K. Consulting hervor.
Der Anteil an Entscheidern im Energiesektor, die eine anhaltende Fokussierung auf Öl und Gas als einen der drei wichtigsten Investitionsbereiche für die nächsten fünf Jahre nannten, stieg verglichen mit den Umfrageergebnissen von 2021 bis Mitte 2023 um 25 Prozentpunkte auf über 70 %. Darüber hinaus gaben sie an, dass ihre wichtigste Nachhaltigkeitsverpflichtung im Jahr 2023 die Dekarbonisierung ihrer bestehenden Betriebe war. Die Global Energy Studie von L.E.K., die bereits zum fünften Mal durchgeführt wurde, basiert auf qualitativen Erkenntnissen aus rund 40 Roundtable-Diskussionen sowie auf quantitativen Umfragedaten von rund 300 hochrangigen Führungskräften aus verschiedenen Bereichen der Energiewirtschaft, darunter Öl und Gas, Versorgungsunternehmen, erneuerbare Energien und strategische Investoren. Die Teilnehmer der Umfrage und der Diskussionsrunden kamen aus verschiedenen Regionen, hauptsächlich aus Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten.
"Das Investitionsverhalten in der Energiebranche wandelt sich global gesehen von einer fordernden zu einer gemäßigten Haltung", sagt Michael Ringleb, Partner bei L.E.K im Münchner Büro und Experte im Bereich Energie und Umwelt. "Unternehmen, die sich in der Vergangenheit intensiv mit neuen Technologien und Weiterentwicklungen beschäftigt haben, sagen jetzt: ,Wir werden das Geld besser für unser Kerngeschäft einsetzen'. Das bedeutet, dass sie ihre Produktionsprozesse optimieren und Ölförderprogramme und Erschließungen auf der grünen Wiese wieder aufnehmen, wenn es wirtschaftlich und ökologisch vertretbar ist. Es bedeutet auch, dass sie die Versorgungsnetze für Gas und Flüssiggas (LNG) ausbauen oder die Raffinerie- und Mineralölkapazitäten erweitern, sofern die Nachfrage es rechtfertigt."
Die Experten sehen in der Übernahme von Pioneer Natural Resources durch ExxonMobil und der geplanten Übernahme von Hess Corporation durch Chevron Anzeichen für eine Rückbesinnung auf fossile Brennstoffe. "Energieunternehmen konzentrieren sich wieder auf ihr Kerngeschäft. Aufgrund hoher Zinssätze, Bedenken hinsichtlich der Energieversorgungssicherheit sowie einer starken Nachfrage und hoher Preise für Kohlenwasserstoffe drosseln sie ihre Investitionen in neue Energietechnologien", so Amar Gujral, Partner bei L.E.K und ebenfalls Experte im Bereich Energie und Umwelt.
Als wichtigste Nachhaltigkeitslösung für die Öl- und Gasindustrie nannten 25 % der Befragten die Dekarbonisierung des eigenen Betriebs, das heißt die Verringerung der Scope-1-Emissionen. Bei den Technologien für die Energiewende liegt der Schwerpunkt auf Lösungen, die eine Nutzung der bestehenden Infrastruktur ermöglichen: 39 % der Befragten gaben an, dass die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung eine Technologie für die Energiewende ist, in die sie in den nächsten fünf Jahren investieren würden. Ebenfalls 39 % gaben an, dass die Wasserstofftechnologie ein geeignetes Entwicklungsziel sein könnte. 25 % nannte erneuerbare Brennstoffe und 17 % die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge als mögliche Investitionsziele.
"Auch wenn viele Energieunternehmen ihre Prioritäten bei der Energiewende derzeit anders setzen, ist sie noch lange nicht abgeschlossen. Sie ist eine Frage des ,Wann', nicht des ,Ob'. Aber zum jetzigen Zeitpunkt fällt es vor allem den Öl- und Gasunternehmen schwer, in neue Technologien und Projekte zu investieren. Sie konzentrieren sich daher mehr auf die Dekarbonisierung der bestehenden Infrastruktur und des Betriebs", sagte Rebecca Scottorn, Partnerin bei L.E.K und Expertin für die Entwicklung von ESG- und Nachhaltigkeitsstrategien.
Der Umfrage zufolge erwarten die Öl- und Gasunternehmen, dass der Anteil ihrer Investitionsbudgets für die Dekarbonisierung in fünf Jahren auf 26 % steigen wird, verglichen mit 21 % heute.
Die Studie zeigt, dass etablierte erneuerbare Technologien - insbesondere Solar-, Wind- und Energiespeichersysteme, die bereits über eine bedeutende Infrastruktur verfügen - weiterhin ein gesundes Wachstum verzeichnen und erhebliche Investitionen aus dem gesamten Energiesektor erhalten werden. Dazu gehören Öl- und Gasunternehmen, Stromversorger, Unternehmen für erneuerbare Technologien und deren Investoren. 50 % der Manager im Energiesektor gaben an, dass sie in den nächsten fünf Jahren am ehesten in Solarenergie investieren werden, 33 % in Energiespeichersysteme, 29 % in Windenergie und 27 % in Wasserstofftechnologie. "Die relativ geringe Resonanz auf Windenergie könnte auf die kürzlich angekündigten Projektverzögerungen und -überlegungen auf dem Offshore-Windmarkt zurückzuführen sein, z. B. bei Orsted und dem Equinor-Imperium-Projekt", so Gujral.
Die Entscheider der Versorgungsunternehmen gaben an, dass sie vor allem in den Ausbau von Bedarfsmanagementlösungen investieren wollen, mit dem Ziel, Kunden zu belohnen, die Solarenergie und Energiespeicher nutzen oder ihren Verbrauch zu Spitzenlastzeiten reduzieren. Außerdem konzentrieren sie sich auf die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge und Solarenergienetze.
"Nachdem Energieunternehmen in den letzten Jahren viel Neues ausprobiert und dem Nachhaltigkeitsdialog mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben, befinden wir uns nun in einem Umfeld, dessen Dynamik die Energieunternehmen dazu bringt, wieder mehr Geld in die Öl- und Gasförderung zu stecken und dies auch öffentlich zu kommunizieren. Die großen, etablierten Energiekonzerne glauben nach wie vor an neue Technologien, gehen aber beim Kapitaleinsatz mit mehr Bedacht vor. Sie teilen sich das Risiko zunehmend mit spezialisierten Unternehmen, die dieser Herausforderung gewachsen sind", so Gujral.
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