WDR Fernsehen, Sonntag, 8. Oktober 2000, 16.30 Uhr
Stille Rebellen
Bürgermut gegen Naziterror - ein Treffen in Berlin ein Film von Ulrich Harbecke
Köln (ots)
Am 19. April 1943 riskieren drei junge Männer des belgischen Widerstands, was bis dahin keine Weltmacht zustandebrachte: Sie stellen sich mit einer roten Lampe auf das Gleis von Zug Nr. 20, der mehr als anderthalb Tausend Juden ins Vernichtungslager Auschwitz transportieren soll. Sie bringen den scharf bewachten Zug zum Stehen, reißen Waggontüren auf und ermöglichen im Kugelhagel der SS einigen Gefangenen die Flucht. Es ist nur eine kleine "Betriebsstörung" im reibungslosen Ablauf der Todesindustrie, aber sie setzt ein Zeichen für persönlichen Mut und unaufgebbare Humanität.
Durch Zufall erfuhr Marion Schreiber, langjährige Korrespondentin des "Spiegel" in Brüssel von der Aktion. In mühsamer Kleinarbeit trug sie die Einzelheiten und Umstände zusammen. Menschen tauchten aus der Vergessenheit auf, wichtige Eigenschaften des mörderischen Systems, aber auch der Mut eines kleinen Volkes, das sich der Barbarei mit viel Fantasie entgegenstellte. Dem belgischen Widerstand gelang es, mehr als 50 % der registrierten Juden zu retten, ein einsamer europäischer Rekord. Allein 4000 Kinder fanden Unterschlupf in belgischen Familien, so auch Paul Spiegel, heute der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er schrieb auch das Vorwort zu Marion Schreibers Buch.
"Stille Rebellen" von Marion Schreiber ist ein spannendes Stück Zeitgeschichte. Jetzt war es Anlass, einige Überlebende der damaligen Ereignisse in Berlin zusammenzuführen. Im großen Saal der jüdischen Gemeinde sahen sich Befreier und Befreite nach mehr als einem halben Jahrhundert zum ersten Mal wieder. Sie berichten - von der Erinnerung überwältigt - was in jener Nacht geschah. Ein Dokument der Vergangenheit und zugleich eine Botschaft an die Gegenwart.
Redaktion Martin Blachmann
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