WDR Fernsehen, Freitag, 13. Oktober 2000, 23.00 Uhr bis 23.45 Uhr
Frauen und Kinder als Geiseln von Krieg und Feindschaft
Oktober-Schwerpunkt der Programmgruppe Geschichte
Köln (ots)
Der Schwerpunkt der Geschichte widmet sich Themen über die kaum einer spricht: Frauen und Kinder als Geiseln von Krieg und Feindschaft. Wie oft haben wir schon Geschichten gehört aus den Schützengräben, aus den Kriegsgefangenenlagern, von den furchtbaren Erlebnissen an der Front - Männergeschichten, oft auch: Heldengeschichten.
Die Geschichten der Frauen schienen zu privat, zu persönlich, zu unerheblich, um sie zu erzählen. Aber es sind Geschichten, die jeder bewaffnete Konflikt mit sich bringt: In Kriegen verlieben sich Frauen oft in den "Falschen", den Feind, und müssen dafür büßen. In Kriegen bekommen Frauen Kinder - auch wenn diese nicht erwünscht sind und es Frauen unmöglich gemacht wird, sie durchzubringen. Geschichten des Lebens und der Menschlichkeit in Zeiten, in denen Hass und Feindschaft die Regeln bestimmen und von Frauen verlangt wird, ihren Körper und ihre Gefühle dem unterzuordnen.
GeschichtsZeit: "Für eine Liebe so bestraft...." Deutsche Frauen und Zwangsarbeiter von Erika Fehse
Es waren Tausende - genaue Zahlen sind bislang nicht erforscht: Deutsche Frauen, die während des Nationalsozialismus wegen ihrer Liebe zu Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen oft Jahre hinter den Mauern der Gefängnisse oder Konzentrationslager verschwanden. Manche Frauen wurden bestraft für ein angebliches Verhältnis, das ihnen angedichtet wurde allein um ihnen zu schaden. Die Denunzianten waren die Nachbarn, die Verwandten, die "Freunde".
Unter den Nazis hieß dieses Verbrechen: "Verbotener Umgang". In den späten Kriegsjahren ein Massendelikt. Wenn der Feind zum Freund, ja zum Geliebten wurde, zog man auch diesen zur Rechenschaft. Haft oder im schlimmsten Fall Mord: Erhängung im Beisein von Hunderten anderer Zwangsarbeiter zum Zwecke der "Abschreckung".
Nach dem Krieg wurden die Frauen erneut bestraft: Das kollektive Gedächtnis funktioniert in den kleinen Dörfern bis heute, die Frauen wurden gemieden und von den Behörden gedemütigt, indem man ihnen die Anerkennung als politische Häftlinge und jegliche Haftentschädigung verweigerte.
Zum Beispiel Anna, sie lernte bei der Arbeit in der Molkerei den russischen Zwangsarbeiter Wassily Koslow kennen. Heimlich trafen sie sich am Abend, wenn die Bewacher, die Wassily vom Bauernhof zum Gefangenenlager brachten, nicht aufpassten.
Anna wurde schwanger, verschwieg aber, wer der Vater ihres Kindes war. Doch irgendjemand zeigte sie an. Bei einer Gegenüberstellung wurde sie gezwungen, Wassily zu verraten. Ein Trauma, das sie nie verwand. Er blieb ihre einzige große Liebe.... bis heute. Sie wurde von einem Gericht zu 15 Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrverlust verurteilt.
Oder Erna, sie verliebte sich in den polnischen Zwangsarbeiter Stefan Luba, der mit ihr gemeinsam auf einem Gutshof arbeitete. Auch Erna bekam ein Kind. Stefan wurde in der Nähe des Dorfes erhängt, und Erna verschwand 16 lange Monate im Jugend-KZ Uckermark. Sie schaffte es bis heute nicht, mit ihrer Tochter über den Vater zu reden.
Die Frauen haben über 50 Jahre lang versucht zu vergessen, zu verdrängen, sie haben geschwiegen. Der Filmemacherin Erika Fehse ist es gelungen, einige dieser Frauen zu ermutigen, ihre Geschichten zu erzählen - Geschichten die anrühren, die erschrecken...
Die nächsten Sendetermine:
Freitag, 20. Oktober 2000, 23.00 bis 23.45 Uhr Unerwünscht und vergessen Zwangsarbeiterinnen und ihre Kinder
Freitag, 27. Oktober 2000, 23.00 bis 23.45 Uhr Kindheit hinter Stacheldraht Erinnerungen an das sowjetische Speziallager Sachsenhausen
Redaktion Gudrun Wolter
Rückfragen Barbara Brückner, WDR-Pressestelle Tel. 0221/220-4607 Köln, 10. Oktober 2000
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