"EU behandelt Türkei unfair" - Exklusiv-Interview des ARD-Studio Brüssel mit türkischem EU-Botschafter Faruk Kaymakci
Köln/Brüssel (ots)
SPERRFRIST: 23.00 Uhr
Wenige Tage vor Veröffentlichung des sogenannten 'Fortschritts-Berichts' der EU-Kommission wirft die Türkei der Europäischen Union und insbesondere Deutschland eine Blockade-Haltung vor: Im Exklusiv-Interview mit dem ARD-Studio Brüssel beklagte der türkische EU-Botschafter, Faruk Kaymakci, in entscheidenden Fragen würde sein Land ausgebremst - bei der Erweiterung der Zollunion, bei der Visa-Liberalisierung und auch beim Beitritts-Prozess, der derzeit faktisch auf Eis liegt:
"Die EU macht einen Fehler, indem sie die Türkei unfair behandelt. Hätte man der Türkei eine klarere Beitritts-Perspektive gegeben, wären wir heute schon EU-Mitglied", erklärte Kaymakci. "Dann hätten wir eventuell sogar den Krieg im Irak und Syrien verhindern können. Wir hätten die Flüchtlingskrise verhindern können."
Was die Frage der Visa-Liberalisierung angeht, so drängt der Botschafter die EU und die Bundesregierung dazu, bald Visa-freies Reisen für Türkinnen und Türken zu ermöglichen. "Weil dieser Prozess verzögert wird, verzögert sich auch der Reform-Prozess in der Türkei. Das hilft also nicht, es geht eher nach hinten los," klagt Kaymakci im ARD-Hörfunk-Interview. Der bestätigte, dass Ankara in Gesprächen mit der EU-Kommission sei, um die noch ausstehenden Bedingungen zu erfüllen. Dass schnell Bewegung in die Sache komme, hält Kaymakci für möglich: "Wenn die Ukraine dazu in der Lage ist, wenn Georgien dazu in der Lage ist, dann kann die Türkei das erst Recht."
Bereits innerhalb weniger Wochen hält Kaymakci Visa-Freiheit für die Türkinnen und Türken für denkbar: "Ja, das ist machbar. Es ist keine Zeitfrage. Wir müssen ein paar Änderungen bei einigen Gesetzen durchführen, die wir bereits vorbereitet und vorgeschlagen haben. Und das kann sehr schnell gehen."
Was schließlich das im März 2016 vereinbarte Flüchtlings-Abkommen der EU mit der Türkei angeht, so ist der Botschafter zuversichtlich, dass dies am Leben erhalten wird: "Die Türkei hat ihr Versprechen hundertprozentig gehalten. Auf der EU-Seite gibt es Mängel. Wir hoffen, dass die bald ausgeräumt sind. Aber selbst wenn das nicht geschieht, heißt dies nicht, dass die Türkei die Situation ausnutzt und den Deal kündigt."
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