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Deutscher erstattet Anzeige beim GBA wegen Folter in Syrien

Mainz/Köln (ots)

Erstmals geht ein deutscher Staatsbürger juristisch gegen Verantwortliche des syrischen Regimes wegen Folter vor. Das berichten WDR, SWR und Süddeutsche Zeitung.

Zwei Jahre nach seiner Haft in einem syrischen Gefängnis hat sich Martin Lautwein mit Hilfe des "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR) einer Anzeige mehrerer Syrer angeschlossen. Die Strafanzeige beim Generalbundesanwalt, die WDR, SWR und Süddeutscher Zeitung vorliegt, richtet sich gegen namentlich benannte hochrangige Mitglieder des syrischen Geheimdienstes. In der Anzeige sind zahlreiche Verbrechen aufgeführt, unter anderem Folter, Tötung und Vergewaltigung.

Knapp sieben Wochen lang war Lautwein 2018 in einem Gefängnis des syrischen Militärgeheimdienstes in Damaskus inhaftiert, der sog. Palestine Branch. Zuvor arbeitete er im Irak und in Syrien für eine Hilfsorganisation, die dort medizinische Infrastruktur aufbaut. Im Interview mit WDR, SWR und Süddeutscher Zeitung sagte er, in Verhören habe man ihm vorgeworfen, für einen ausländischen Geheimdienst zu arbeiten, was er dementiert. Im Gefängnis sei der damals 27-Jährige gefoltert worden. Über Details wollte er nicht sprechen. Außerdem habe er miterleben müssen, wie andere Häftlinge brutal misshandelt, vergewaltigt und getötet worden seien. "Die Folter war ständig da", sagte Lautwein. "Der Umgang mit den Menschen dort ist einfach nur verachtend. Es geht darum, die Menschen mit allen Mitteln zu brechen." Auch die hygienischen Bedingungen seien unmenschlich gewesen. "Nach zwei Tagen habe ich mich gefühlt wie ein Tier", sagte Lautwein im Interview.

Menschenrechtsorganisation unterstützt Lautwein

Die Menschenrechtsorganisation ECCHR unterstützt Opfer von Folter. Sie will erreichen, dass deutsche Behörden Ermittlungen übernehmen und internationale Haftbefehle gegen die Täter in Syrien ausstellen. Nur so könne man sie eines Tages vor Gericht stellen. "Durch den Fall von Martin Lautwein, durch die Strafanzeige und auch durch die Beweise, die er zuliefern kann, erhoffen wir uns neuen Schwung für die Ermittlungen und damit weitere Haftbefehle", sagte Patrick Kroker von der Menschenrechtsorganisation ECCHR im Interview mit WDR, SWR und Süddeutscher Zeitung.

Auch Martin Lautwein will, dass die Täter vor Gericht kommen. "Als Überlebender bin ich in der Verantwortung darüber zu sprechen, was dort den Menschen passiert und alles zu tun, damit da ein Funken Gerechtigkeit eintritt." In Koblenz hat im April weltweit erstmals ein Prozess gegen Verantwortliche des syrischen Regimes wegen Staatsfolter begonnen.

Der Fall Martin Lautwein

Martin Lautwein war im Juni 2018 auf einem Basar im nordsyrischen Qamischli gemeinsam mit einem australischen Kollegen verhaftet worden. Die genauen Gründe der Festnahme sind unklar. Beide arbeiteten für die gleiche Hilfsorganisation im Irak und in Syrien, die medizinische Infrastruktur aufbaut. Während dieser Zeit hatte Lautwein eigenen Angaben zu Folge auch Kontakt zu Kurden. Möglicherweise geriet er deshalb ins Visier des syrischen Geheimdienstes.

Nach 48 Tagen kamen Lautwein und sein Kollege frei. Tschechien, das als einziger EU-Staat eine Botschaft in Syrien unterhält, hatte ihre Freilassung verhandelt. Ob es Gegenleistungen gab, ist nicht bekannt. Nach seiner Freilassung gab Lautwein bei einer ärztlichen Untersuchung beim Auswärtigen Amt an, dass er gefoltert worden sei. Der Bericht liegt WDR, SWR und Süddeutscher Zeitung vor. Das Auswärtige Amt äußerte sich zu den Folter-Vorwürfen nicht. Nur, dass man sich unter den in Syrien besonders schwierigen Umständen intensiv für Lautwein und dessen Rückkehr nach Deutschland eingesetzt habe, obwohl man zu dieser Zeit keine konsularische Präsenz in Syrien gehabt habe. Die syrische Botschaft in Berlin ließ eine Presseanfrage zu den von Martin Lautwein erhobenen Vorwürfen unbeantwortet.

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