Studie dokumentiert - Im WDR keine Stasi-Verstrickungen
Köln (ots)
Köln - Die wissenschaftliche Untersuchung über Einwirkungsversuche der DDR-Staatssicherheit auf die Rundfunkanstalten in der DDR und in der Bundesrepublik, die der Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin für die ARD durchgeführt hat, liegt nun als Studie vor. Der Westdeutsche Rundfunk stand, wie die Wissenschaftler herausfanden, schon aufgrund seiner geographischen Lage nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Da lediglich das 1. Hörfunkprogramm des WDR in der DDR zu empfangen war, entfiel auf Seiten des MfS das routinemäßige Abhören und Auswerten der Programme, wie es der Staatssicherheitsdienst mit einer eigens dafür geschaffenen Diensteinheit gegenüber den West-Berliner Radiostationen und dem Deutschlandfunk rund um die Uhr betrieb. Durch die gemeinsame Zuständigkeit von WDR, NDR und SFB für die Berichterstattung aus und über die DDR erregte der Westdeutsche Rundfunk allerdings die Aufmerksamkeit des DDR-Geheimdienstes. So wurde bereits in den 60-er Jahren die Arbeit der Ost-West-Redaktion unter Leitung von Jürgen Rühle argwöhnisch durch das MfS beobachtet. Dabei stand die Beschaffung von Informationen über die Redaktionsmitglieder im Mittelpunkt ihres Interesses. So wurden in einschlägigen Unterlagen etwa Carola Stern oder Peter Bender als Renegaten qualifiziert, die eine besonders raffinierte Konzeption des flexiblen Antikommunismus vertreten.
Auszug aus der Studie: Anfang der achtziger Jahre hat die Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe einen weiteren Auskunftsbericht über den Westdeutschen Rundfunk verfaßt. Er stimmt in weiten Teilen mit dem bereits zitierten Bericht überein. Etwas ausführlicher behandelt er die angebliche politisch-ideologische Diversionstätigkeit des Senders: Der WDR betreibt in Hörfunk- und Fernsehsendungen nicht nur eigenständig, sondern auch in Kooperation mit anderen in der ARD zusammengeschlossenen Länderrundfunkanstalten politisch-ideologische Diversionstätigkeit gegen die DDR. (...) Zur Rolle des WDR fand die ZAIG wenig später deutliche Worte: In allen Wortsendungen von Hörfunk und Fernsehen, insbesondere in den gegen die DDR gerichteten Beiträgen, werden vom WDR schon seit Anfang der 60er Jahre aus einer monopolkapitalistischen Grundhaltung heraus alle Aspekte des modernisierten, kultivierten und flexiblen Antikommunismus beachtet und in der Regel primitive Formen antikommunistischer Hetze gemieden. Dieses Bestreben des WDR gehe, so die ZAIG weiter, zurück auf die seiner Sendetätigkeit zugrundeliegende Annahme, daß die Bewohner der DDR sich stark an Informationen westlicher Sender orientieren würden. In diesem Zusammenhang wird auch die vom MfS wenig goutierte Mahnung des damaligen WDR-Intendanten, Klaus von Bismarck, erwähnt, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19. Juni 1963 festgestellt hatte, daß die politische, wirtschaftliche und geistige Entwicklung in der DDR nach neuen Formen der sachlichen Auseinandersetzungen verlange, um Vorurteile abzubauen und verändernd in die DDR einzuwirken. Für die ZAIG stand fest, daß der entschlossen auf die Verwirklichung dieses Ziels hinarbeitende WDR dazu auf Einschätzungen diverser Ostexperten zurückgreife und bewußt Sendungen mit für die DDR höchst unliebsamen thematischen Schwerpunkten gestalte. Alles in allem, so das abschließende Urteil der ZAIG, sei der WDR ein Tummelplatz für Renegaten, Verräter und andere prominente antikommunistische, aber auch linksextremistische Kräfte, die einen Großteil der festangestellten Mitarbeiter ausmachen würden - insbesondere unter den sechzig politischen Redakteuren sowie in vielen anderen verantwortlichen Positionen im Sender. (Ende des Auszuges aus der Studie)
Die Studie des Forschungsverbundes SED-Staat beschreibt in einem Kapitel ausführlich die Bearbeitung der ständig akkreditierten DDR- Korrespondenten durch den Ost-Berliner Geheimdienst. Für den WDR berichteten zu DDR-Zeiten Fritz Pleitgen, Olrik Breckoff, Wolfgang Klein und Claus Richter als Fernseh- Korrespondenten aus Ost-Berlin. Die Beteiligung des WDR am ARD- Studio in Ost-Berlin, rief Mitte der 70er Jahre einen erhöhten Informationsbedarf des Ministeriums für Staatssicherheit über den Senders hervor. Es ging dem MfS darum, Informationen über die politische Orientierung der leitenden Mitarbeiter zu gewinnen. Das MfS bedient sich dabei nicht öffentlich zugänglicher Quellen wie Zeitungen und Handbücher, sondern organisierte auch Abschöpfungsmaßnahmen bei Mitarbeitern des WDR. Hierzu konzentrierte sich der Staatssicherheitsdienst auf die Betreuung von Reisekorrespondenten, die zu Recherchen und Dreharbeiten in die DDR reisten. Die sogenannte Fachbetreuung dieser Reisekorrespondent wurde vom Internationalen Pressezentrum in Ost- Berlin organisiert, einer Einrichtung, die mit MfS-Offizieren im besonderen Einsatz (OibE) und Inoffiziellen Mitarbeitern des MfS durchsetzt war.
Der Westdeutsche Rundfunk produzierte in den 80er Jahren mehrere Sendereihen mit Beiträgen aus der DDR, darunter Deutscher Alltag, Wanderungen durch die DDR oder DDR-Profile. 1982 lief in der Reihe Deutscher Alltag ein Film von Heinz Stuckmann über eine vorbildliche sozialistische Hausgemeinschaft in Rostock. Die Forschergruppe an der Freien Universität fand heraus, dass Stuckmann schon seit den 60er Jahren Kontakte zur Staatssicherheit unterhielt. Als Leiter der Kölner Journalistenschule, an der auch der WDR beteiligt war, lieferte er zunächst Informationen aus dem Umfeld der Schule und dem Medienbereich. Später übermittelte Stuckmann der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS persönliche Angaben zu seinen Studenten, und sorgte dafür, daß Offiziere des DDR-Geheimdienstes gezielt Kontakt zu ausgewählten Studenten aufnehmen konnten.
Durch die Etablierung der Sendereihen mit Beiträgen aus der DDR für das WDR-Fernsehen gab es regelmäßig Dreharbeiten von WDR-Fernseh- Teams und freien Produktionsfirmen in der DDR. Die Stasi sorgte dafür, dass Drehreisen von WDR-Teams jeweils von den gleichen Fachberatern des Internationalen Pressezentrums begleitet wurden. Durch die Gutwilligkeit einiger Reisekorrespondenten, die sich die Vorgaben der zugeteilten Fachberater hielten, entstanden einige Fernsehbeiträge, die ein geschöntes Bild der DDR vermittelten. Außerdem entwickelten sich persönliche Kontakte zwischen WDR-Journalisten und Fachberatern, die nebenberuflich als inoffiziellen MfS-Mitarbeiter tätig waren. Die beruflich bedingten und zum Teil auch freundschaftlichen Beziehungen, nutzte das MfS, um Informationen aus dem Westdeutschen Rundfunk abzuschöpfen. Auch wenn auf diesem Wege in der Ost-Berliner Geheimdienst-Zentrale Materialien eintrafen, aus denen dort Dossiers über Interna des WDR gefertigt werden konnten, erlangte der Staatssicherheitsdienst keinen Einfluß auf Programm- und Personalentscheidungen oder nachhaltig auf die Berichterstattung des WDR.
Pressekontakt Annette Metzinger, WDR-Pressestelle, Telefon 0221/220-2770
ots-Originaltext: WDR Westdeutscher Rundfunk
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/story.htx?firmaid=7899
Original-Content von: WDR Westdeutscher Rundfunk, übermittelt durch news aktuell