S3-Leitlinie zur Tromboseprophylaxe in Revision
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Thromboseprophylaxe waren Schwerpunktthema auf dem Interprofessionellen Pflegekongress am 19. April in Dresden
Starnberg/Dresden (ots)
Eine Vortragsreihe des Medical Data Institute in Kooperation mit dem Verlagshaus Springer-Medizin im Rahmen des Interprofessionellen Pflegekongress am 19. April in Dresden beleuchtete aktuelle Entwicklungen im Bereich der Thromboseprophylaxe.
Unzufriedenheit herrscht angesichts der unklar ausformulierten S3-Leitlinie. Nun geht sie in Revision. Ärzte, Ökonomen, Ingenieure und Juristen adressieren auf Kongressen und in Publikationen den notwendigen Ergänzungs- und Änderungsbedarf. "Im Grunde genommen interessiert uns vor allem der Bereich der Medizinischen Prophylaxestrümpfe", so die Mitglieder der Expertengruppe des Instituts. "Liest man die Leitlinie in ihrer derzeitigen Fassung, so gewinnt man den Eindruck diese Strümpfe seien obsolet", so Prof. Senninger aus Münster. Auch andere Mitglieder der Kommission betonten im Nachgang der Veröffentlichung der Leitlinie, dies sei keineswegs beabsichtigt gewesen.
Prof. Dr. Knut Kröger aus Krefeld wies bezüglich der Wirksamkeit von Medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfen (MTPS) auf unzureichende Evidenz hin: "Dies kann man aus der Genese und der Historie der Strümpfe ableiten. MTPS sind Medizinprodukte, da gibt es naturgemäß weniger Studien und damit weniger Evidenz im Vergleich zu den Thrombosemedikamenten der Pharmaindustrie. Außerdem gibt es MTPS schon seit vielen Jahrzehnten, die verstärkte Forderung nach mehr Evidenz hingegen erst seit wenigen Jahren."
Dass MTPS teilweise seit über vierzig Jahren auf dem Markt sind, bestätigt Dr. Ulrich Wegener, Ingenieur der TU Berlin. "Leider sind nicht alle am Markt erhältlichen Fabrikate in dieser Zeit konsequent weiterentwickelt worden." Dies sei bei einem Druckverlaufstest deutlich geworden, den die TU Berlin nach der HoSy-Methode durchgeführt hat. "Strumpf ist nicht gleich Strumpf", so Prof. Kraft, ebenfalls von der TU Berlin, "die Testergebnisse werden in Kürze veröffentlicht".
Zur Klärung der Evidenz von MTPS kündigten Prof. Kröger und Prof. Kraft weitere Untersuchungen an. "Wir haben bereits Ultraschalltests gemacht, um die Fließgeschwindigkeit des Blutes in den Gefäßen verschiedener Patienten mit und ohne Strumpf zu messen. Die Ergebnisse bestätigen die physikalische Wirkweise der Strümpfe." Um weitere Erkenntnisse zu erlangen, wird die Expertengruppe zusätzlich MRT-Aufnahmen anfertigen.
Unterstützung erhielten die Ärzte von dem Gesundheitsökonomen Prof. Wilfried von Eiff aus Münster und den Juristen Prof. Volker Großkopf und Dr. Hubert Klein, beide aus Köln. Die Juristen wiesen auf die Haftungsgefahr der Klinikverantwortlichen bei einseitigem Einsatz von ausschließlich medikamentösen Prophylaxemaßnahmen und dem völligen Ausschluss der tradierten Prophylaxe durch MTPS hin. "Wer den Einsatz von MTPS einstellt, geht das Risiko einer Schadenersatzklage ein. In Potsdam ist bereits eine Klinik verurteil worden", so die Juristen.
Gesundheitsökonomen von Eiff pflichtete bei: "Das ist Sparen an der falschen Stelle. MTPS sind ein vergleichsweise kostengünstiges Mittel zur Vermeidung von Thrombosen, das konnten wir bei unseren Untersuchungen nachweisen. Zur verbesserungswürdigen Evidenz der Strümpfe sagt von Eiff: "Dass die Strumpfhersteller natürlich im Vergleich zur Pharmaindustrie keine aufwändigen Studien finanzieren können, liegt doch auf der Hand. Aber verglichen mit den Medikamenten gründet die Wirkweise der MTPS auf einem physikalischen Grundgesetz, das sollte man berücksichtigen."
Wir haben den Gesundheitsökonomen Prof. Wilfried von Eiff am Rande des Kongresses interviewt:
Herr Prof. von Eiff, wer außer den Ärzten und der Leitlinienkommission ist gefordert, diese Entwicklungen zu verfolgen?
Von Eiff: Insbesondere die Klinikeinkäufer sind gefordert, diese Entwicklung zu verfolgen. Bei den MTPS gibt es unterschiedliche Fabrikate mit unterschiedlicher Funktionalität am Markt. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung vieler Einkäufer sind die Strümpfe nicht alle gleich und damit austauschbar.
Welche Unterschiede sind dies?
Von Eiff: Der HoSy-Test zeigt deutlich die Unterschiede zwischen den am Markt erhältlichen Fabrikaten. Die sind unterschiedlich designt, daher verwundert es nicht, dass sie im Test auch unterschiedlich abschneiden. Das Spektrum reicht von 100protzentiger Zweckerfüllung bis zu Strümpfen, die eher Gefahr laufen eine Thrombose auszulösen.
Inwiefern ist nun der Klinikeinkäufer gefordert?
Von Eiff: Der Einkäufer ist verpflichtet, sich bei der Beschaffung eines Medizinproduktes vor seiner Entscheidung über alternative klinische Wirkungen sachgerecht zu informieren. Dazu gehört es, sich im Falle von Produkten, die für kritische klinische Situationen eingesetzt werden - etwa Thromboseprophylaxe - ausreichend Fachinfos über die am Markt angebotenen Produkte einzuholen. Eine Orientierung der Einkaufsentscheidung nur am Preis des Produktes kann klinische Komplikationen hervorrufen, sofern ein nicht funktionsgerechtes Produkt beschafft wird. Viele Einkäufer sind sich der Tatsache nicht bewusst, dass sie bei einem Versäumnis rechtlich belangt werden können.
Wo kann ich entsprechende Infos einholen?
Von Eiff: Die Publikationen unserer Expertengruppe sind auf der Homepages des Institutes einsehbar: www.md-institute.com, Ressort Thrombosemanagement. Speziell für die Klinikeinkäufer bereiten wir zwecks Unterstützung eine extra Publikation vor. Damit muss sich nachher keiner mehr rausreden, weil er in Unwissenheit der Kenntnis eines nicht funkfähigen Produkts die falsche Einkaufsentscheidung getroffen hat. Denn juristisch wird in solchen Fällen unterstellt, der Einkäufer hätte um die mangelnde Funktionalität wissen müssen und verbindet damit eine "billigende Inkaufnahme" und damit "Vorsatz".
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