FZ: Nur eine realistische Option Kommentar der "Fuldaer Zeitung" zur Regierungsbildung
Fulda (ots)
Knapp eine Woche ist das Wahlergebnis nun alt, langsam erlöschen die Nebelkerzen und man sieht wieder Tageslicht im politischen Berlin. Die Menschen, das sagen alle Nachwahl-Umfragen, wollen keine Experimente, sondern eine stabile große Koalition - und es sieht so aus, als würden sich die großen Parteien in dieser Frage dem Willen des Volkes beugen. Der konsequente Rückzug von Wahlverlierer Steinbrück, der immer angekündigt hatte, für ein schwarz-rotes Bündnis nicht zur Verfügung zu stehen, ist ein Indiz dafür. Schließlich bleibt bei realistischer Betrachtung auch nur eine Koalition von Union und SPD, um das Land stabil zu regieren.
Natürlich: Die Vorbehalte, die es vor allem in der SPD gegen ein solches Bündnis gibt, sind nicht von der Hand zu weisen. In der großen Koalition von 2005 bis 2009 verwässerte das Profil der SPD im Schatten einer übermächtigen "Mutti", die aus allen gemeinsamen Entscheidungen Kapital schlagen konnte, während die SPD verzweifelt nach Themen suchte und kaum noch als eigenständig wahrgenommen wurde. Das sollte, das darf den Sozialdemokraten kein zweites Mal passieren. Gleichwohl war die große Koalition unter Merkel (und mit Steinbrück) ein mit Reform-PS vollgepackter Rennwagen im Vergleich zur lahmen Ente, mit der in den vergangenen vier Jahren Union und FDP unterwegs waren - auch wenn fairerweise nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Euro-Krise die Merkel-Rösler-Regierung in besonderer Weise fesselte.
Ob sich Geschichte wiederholt, werden die Verhandlungen der nächsten Wochen zeigen. SPD-Chef Gabriel ist für die Kanzlerin sicherlich kein so leichter Verhandlungspartner wie seinerzeit Müntefering. Der Druck der immer noch von Schröders Agenda-Politik gepeinigten Basis auf die Parteispitze ist ungleich höher als 2005. Das macht die Sache auch für Gabriel riskant: Schafft er es nicht, genug vom (noch verbliebenen) Markenkern der SPD in Regierungshandeln umzumünzen, wird es mit der SPD weiter abwärts und er untergehen. Insofern ist sein Vorhaben, einen Mitgliederentscheid über die Koalitionsfrage herbeizuführen, nicht zuletzt ein Signal an die Union, bloß nicht zu versuchen, ihn über den Tisch zu ziehen. Vielleicht ist das leise Ja aus den Reihen der CDU zu Steuererhöhungen bereits eine Antwort darauf.
Allen rechnerischen Alternativen zu Schwarz-Rot steht zu viel entgegen. Rot-Rot-Grün würde angesichts der kompromisslosen Festlegungen der SPD-Spitze vor der Wahl den Sozis um die Ohren fliegen. Eine Alleinregierung von Merkel wird sich die Wahlgewinnerin vielleicht wünschen, aber nicht trauen. Und Schwarz-Grün, innovativ und bunt, wäre angesichts der ungeklärten Frage, welches Lager bei den Grünen nach dem Abgang der Parteispitze die Oberhand gewinnt, ein zu großes Wagnis für die in politischen Fragen wenig experimentierfreudige Kanzlerin. Was sollte dabei auch rauskommen? Vielleicht gilt die Gleichung: CDU + Grüne = SPD. Also ein Regierungsprogramm als Abklatsch des SPD-Programms. Das wäre für alle unbefriedigend. Bernd Loskant
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