Bundes-Notbremse auf den Prüfstand
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" zu Lockerungen für Geimpfte (8. Mai 2021)
Fulda (ots)
Ich bin erst einmal geimpft und war nicht an Corona erkrankt - für mich gilt deshalb weiterhin: "Hausarrest" ab 22 Uhr, auch ein fröhlicher Abend mit zwei oder mehr Personen in den eigenen vier Wänden ist tabu. Ich gönne es den zehn Prozent der Bevölkerung, die ab morgen ein Stück normales Leben zurückbekommen, wieder mit Freunden zu Hause ein entspanntes Dinner genießen können, ohne auf die Uhr zu schauen, und sich ab 22 Uhr auf der Straße nicht als Kriminelle fühlen müssen. Denn Grundrechte müssen nicht zurückgegeben oder zurückerkämpft werden, sie sind einfach da ab dem Moment, ab dem Blut durch die Adern fließt. Und wenn die Grundlage für massive Freiheitsbeschränkungen entfällt, muss es ein Automatismus sein, dass Maßnahmen enden. Doch ist das, was nun auf die Schnelle in ein Gesetz gegossen wurde, auch zu Ende gedacht?
Bundestag und Bundesrat haben eine Minimal-Entscheidung getroffen, getrieben von einigen Länderregierungen, die (diesmal völlig zu Recht) vorgeprescht sind mit Lockerungen für Geimpfte und Genesene. Ein weiterer bundesweiter Flickenteppich drohte - und das hat die Regierung unter Druck gesetzt. Doch was machen die glücklichen Genesenen, wenn sie nächtens auf übereifrige Kontrolleure treffen? Die Frage, wie man sich als Genesener ausweist, sorgte in den Kommunen gestern für qualmende Köpfe. Der Vogelsberg verschickt "Genesungsnachweise", die man dann besser bei sich tragen sollte - so wie der Geimpfte seinen gelben Impfausweis. Irgendwie skurril im Jahr 2021, und es offenbart ein weiteres Versagen der Politik in dieser Pandemie: Wieder hat man Zeit verstreichen lassen und sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich Geimpfte und Genesene clever ausweisen können. Warum zum Beispiel nicht per App?
In der Logik des Beschlusses müssen weitere Schritte folgen. Denn wenn Geimpfte mit Genesenen gleichgestellt werden, warum dann nicht auch mit Getesteten? Alles andere wäre die Impfpflicht durch die Hintertür. Und wer das Virus nicht übertragen kann, der muss auch wieder shoppen und ins Restaurant gehen können. Die Bundes-Notbremse, die heute genau zwei Wochen in Kraft ist und ihre Wirkung noch gar nicht entfaltet hat, ist von der Entwicklung eingeholt worden. Mit den massenhaften Impfungen sinken die Fallzahlen, die Sterbefälle sowieso. Und wenn es das Ziel aller Maßnahmen war, die Sterblichkeit zu senken und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, dann muss weiter gelockert werden. Die Bundesbremse mit ihren willkürlichen Inzidenz-Grenzen, eigentlich bis 30. Juni beschlossen, gehört auf den Prüfstand. Und zwar schnell. / Bernd Loskant
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