Migrationspolitik à la carte
Kommentar der "Fuldaer Zeitung" (11. Februar 2023) zu EU/Migration:
Fulda (ots)
Nach einer akuten Notfall-Maßnahme sieht das, was die EU-Staaten in einer Nachtsitzung beschlossen haben, um Migration einzudämmen, nicht aus. Als würde es keine massive Flüchtlingskrise geben, unter deren Last viele Kommunen in Deutschland gerade zusammenbrechen; als wären die Erfahrungen des Flüchtlingsansturms 2015/16 nicht Lehre genug, um dringend und durchgreifend zu handeln, um den Frieden im Land nicht weiter zu gefährden; als hätte man alle Zeit der Welt, um nochmal zu diskutieren und mit Regelungen, die jedem einzelnen Land in Europa viel Interpretationsspielraum lassen, weiterzuwurschteln.
Diese Europäische Union, die in immer mehr Feldern auseinanderdriftet statt zusammenwächst, hat sich zwar - immerhin - auf gemeinsame Maßnahmen geeinigt, lässt den nationalen Regierungen aber wieder einmal die große À-la-carte-Option: Wer wie Österreichs Kanzler Karl Nehammer auf harte Maßnahmen pocht und Befürworter von Grenzzäunen ist, um illegale Einwanderung zu verhindern, kann sich genauso dafür feiern lassen, sich durchgesetzt zu haben, wie sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz, der darauf verweist, dass in der Abschlusserklärung nur vom Aufbau einer "Infrastruktur an den Grenzen" die Rede ist - ergo die EU auch künftig keine Zäune an ihren Außengrenzen finanzieren wird. Der Teufel steckt wieder einmal im Detail der Formulierungen - und jeder sieht es am Ende einfach so, wie er es sehen will.
Ob und wann die Maßnahmen greifen und zu einer Eindämmung der Migrationsbewegungen führen, steht in den Sternen. Denn ein Grenzzaun wird im Zweifelsfall dazu führen, dass sich Flüchtlinge neue Routen suchen. So wird Migration nicht verhindert. Eine der grundlegenden Fragen, die in einer echten Gemeinschaft diskutiert werden müssten, nämlich wie Schutzsuchende gerecht auf alle Länder zu verteilen sind, wurde beim Gipfel gar nicht thematisiert. Ein Skandal, denn hier setzen manche Staaten das EU-Prinzip der Supranationalität, zu dem sie sich verpflichtet haben, außer Kraft.
Die Bundesregierung hat sich beim Gipfel wieder einmal vornehm zurück gehalten, hat versucht, allzu harte Formulierungen in der Abschlusserklärung zu verhindern und stattdessen für legale Wege zur "Erwerbsmigration" in Europa geworben. Damit steht der Kanzler weiter auf der Seite der Bremser, um illegale Migration zu verhindern. Schon die Zahl der Abschiebungen aus Deutschland spricht da eine klare Sprache: 2022 waren rund 300 000 Menschen ausreisepflichtig, nur 13 000 wurden abgeschoben. Das ist zu wenig. / Bernd Loskant
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