General-Anzeiger: Kommentar zu Roland Koch
Bonn (ots)
Sollte es das wirklich geben? Ein Ministerpräsident, Landesvorsitzender, Landtagsabgeordneter und stellvertretender Parteivorsitzender in Personalunion - eine Ämterhäufung, wie man sie nur bei Berufspolitikern findet - tritt aus freien Stücken von allen seinen politischen Posten zurück. Von niemandem gezwungen, von keiner Intrige zermürbt, auch nicht vom Wähler aus dem Amt gejagt. Ein Berufspolitiker, der tatsächlich loskommt von der Sucht der Macht, der frei, eigenverantwortlich und souverän Regierungs- und Parteiamt räumt, nachdem er das Feld in seinem Sinne bestellt sieht - das hört sich doch einigermaßen unwirklich an. Roland Koch, hessischer Ministerpräsident und CDU-Bundesvize, hat gestern just einen solchen Schritt angekündigt. Ein Rückzug wie ein Paukenschlag. Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel soll seit gut einem Jahr wissen, dass ihr Vize Koch, Politiker durch und durch, sich aus der Politik verabschieden will. Koch zu hundert Prozent zu glauben, er ginge ganz und gar freiwillig, komplett ohne Nebengeräusche, einfach, weil er einen neuen Lebensabschnitt beginnen will, wäre allzu blauäugig. Koch hat die Grenzen seiner politischen Möglichkeiten, seiner Einflusssphäre wie auch die Chance, das Kanzleramt eines Tages X vielleicht doch noch als gewählter Regierungschef zu betreten, nur realistisch eingeschätzt. In der CDU geht nichts mehr gegen die Parteivorsitzende Merkel. Und auch die Riege der Unions-Ministerpräsidenten muss bei Merkel artig anklopfen, will sie ihre Unterstützung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, ein Musterbeispiel an Wankelmut, ist angeschlagen. Baden-Württembergs Regierungschef Stefan Mappus, ein übermütiger Jungspund, der, wenn er nicht aufpasst, bald als schwäbischer Bettvorleger landen könnte. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers hat den größeren Teil seiner Zukunft hinter sich. Und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff bekennt seit Jahren - aus Einsicht in die Alternativlosigkeit - sein Platz sei in Hannover. Merkel hat sie alle geschafft, wenn sie es teilweise nicht selbst getan haben. So geht Koch auch, weil der Weg nach ganz oben versperrt ist und es nach realistischer Einschätzung auch bleibt. Seiner Landes-CDU und sich selbst hat er dank des missglückten Drahtseilaktes von SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti 2009 bei vorgezogenen Neuwahlen noch einmal den Chefsessel in der Wiesbadener Staatskanzlei sichern können. Ein Ergebnis mit Schrammen. Trotz verheerender Verluste der Landes-SPD konnte Koch nur minimal zulegen. Auch ein Votum. Seine Hessen-CDU jedenfalls war über Koch als Wahlkämpfer schon länger nicht mehr glücklich. Gleichwohl geht mit ihm ein politisches Schwergewicht. Merkel hat es jetzt noch leichter, die CDU auf ihre Linie zu bringen.
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