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die Kontur - Dr. Bodo Antonic

Konjunktur, Konflikte, Klima: Krise ist immer, Resilienz hilft

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Luzern

Herr Dr. Antonic, gefühlt stolpern wir die letzten Jahre von einer Krise in die nächste. Können Unternehmen gar nichts tun, um wieder in den Normalmodus zu kommen?

Ich will niemanden erschrecken, aber Krise ist die sogenannte "neue Normalität". Es gibt kaum ein Leben ohne Krisen und es gibt auch kaum ein Geschäft ohne Krisen. Und eigentlich wissen das auch alle. Die Frage ist halt, wie wir mit Krisen umgehen und wie gut wir Darauf vorbereitet sind.

Wie bereitet man sich denn auf Krisen vor?

Auf bestimmte, ausgewählte Risikosituationen kann ich mich relativ gut vorbereiten. Wir machen Brandschutz und haben Feuermelder. Wir trainieren bestimmte Reaktionsmuster und halten bestimmte Einsatzmittel vor. Tatsächlich ist eine Brandkatastrophe eines der wenigen dramatischen Dinge, die ich in der Praxis selbst noch nicht erlebt habe. Vermutlich, weil sehr viele sehr gut darauf vorbereitet sind.

Aber man kann sich doch gar nicht parallel auf alle denkbaren Krisen vorhersehen?

Genau das ist der Punkt. Bei Krisen geht man immer davon aus, dass diese nicht vorhersehbar sind, aber das stimmt so eigentlich nicht. Manche Krise startet als kleines Problem und wird so lange ignoriert, bis es existenzgefährdend wird. Andere Krisen kommen scheinbar über Nacht. Aber bei allen großen politischen und wirtschaftlichen Krisen der letzten Jahre gab es ja auch immer eine Vorgeschichte, und es gab immer Expertinnen und Experten, die Warnungen ausgesprochen haben.

Aber ich kann doch als Unternehmen nicht ständig alle mögliche Expertise im Blick behalten, weil irgendwann mal irgendwas passieren kann?

Ja, aber warum fangen wir nicht mit den Expertinnen und Experten an, die wir in den Unternehmen haben? Ich meine nicht nur die Entwicklungsabteilung, sondern alle. Das geht runter bis zum Pförtner und der Putzfrau, die jeden Tag in die Firma kommen. Viele betriebswirtschaftliche Probleme sind im Unternehmen selbst oft lange bekannt. Sie werden erst zu einer Krise in einer Mischung aus Mutlosigkeit und Ignoranz. Ein Besipiel aus meiner Praxis. Ein Weltmarktführer im medizinischen Bereich. Da hat man ein großes Beratungsunternehmen für sehr viel Geld mit einer Studie beauftragt, einen neuen Preis für ein Produkt zu finden. Heraus kam ein Preis, den die Mitarbeiter in 5 Sekunden zerrissen haben und selbst begründeten, welche Preisposition vertretbar wäre. Das Management hat mit seiner Studie natürlich dagegengehalten und sich durchgesetzt. Als nach 6 Monaten der Absatz einbrach, drehte das Management bei und gab den Mitarbeitern Recht. Der neue Preis, der funktionierte war dann genau derjenige, den die Mitarbeiter prognostizierten. Es gibt sogar auch wissenschaftliche Belege, dass der Vertrieb ein unheimlich gutes Preisfindungsinstrument ist und keine noch so schlauen Preisexperten braucht. Die Zauberformel lautet also: Hör auf deinen Mitarbeiter, deinen Kunden, deinen Bauch und überspanne nie den Bogen. Und um es nochmal deutlich zu sagen: Das Problem war 100 Prozent selbst geschaffen. Daran hat kein Osama bin Laden, kein Putin und auch keine böse Bank Schuld, das ist klassisch hausgemacht.

Aber nochmal nachgefragt: Was können Unternehmen tun, um sich vor Krisen zu schützen?

Unternehmen müssen Resilienz entwickeln. Dazu gehören zwei Dinge. Vorbereiten und Trainieren. Es klingt im ersten Moment paradox, aber sie müssen die Krise förmlich suchen. Sie müssen Antennen für Probleme entwickeln. Die Vorbereitung auf Krisen ist eine Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen und Limits, sowohl des Individuums als auch der Organisation. Es klingt fast schon nach Psycho-Couch, aber sie brauchen Achtsamkeit, Reflektion und Transparenz. Eigentlich auch gute kaufmännische Tugenden. Und wir müssen auch ein in vielen Unternehmen verloren gegangenes Motiv wieder zum Leben erwecken, nämlich die Neugier.

Und wie funktioniert das konkret?

Die Resilienz zu entwickeln ist In der Praxis immer eine Mischung aus sehr prozessorientiertem Management, zum Beispiel Risikoanalysen und Reaktionsplänen einerseits, und sehr personenbezogener Führung andererseits. Das Training funktioniert dann besonders gut, wenn alle sich sicher sein können, dass nichts passiert. Dann kann man offen und ehrlich analysieren, sich auf andere einstellen, Routinen einspielen. Und genau hier kommt die Neugier ins Spiel. Die Leute müssen spinnen dürfen, auch mal bestehende Muster und Konzepte zur Disposition stellen. Wenn ich das ständige Hinterfragen zum kulturellen Muster mache, schaffe ich Sensibilität und Lösungsfindung in Einem. Und ein solches psychologisches Klima müssen sie als Führungskraft schaffen. Um dem Ganzen den Schrecken zu nehmen, spreche ich gern von "Business Continuity". Wir machen das nicht, um uns selbst schlecht zu reden, sondern weil wir uns absichern wollen. Das Geschäft soll weitergehen, es soll uns nicht plötzlich die nächstbeste Krise alles über den Haufen werfen.

Und wenn die Krise dann trotzdem kommt?

Dann kommt sie eben, sie geht auch wieder. Ich rate zu einer Mischung aus Entschlossenheit und Gelassenheit. Wichtig sind klare Ansagen, damit nicht alle wie die Hühner durcheinander rennen. Wer gut vorbereitet ist, wird seine trainierten Krisen-Automatismen abspulen und ehe sich alle versehen, ist's auch wieder vorbei. Wer nicht gut vorbereitet ist, braucht Leute wie mich.

Was können Sie denn, was die Leute im Unternehmen nicht können?

Ich glaube ja gar nicht, dass ich etwas weltbewegend Besonderes kann. Ich habe nur eine andere Ausgangsposition. Ich bin nicht Bestandteil der Struktur, die das Problem hervorgebracht oder die Krise nicht erkannt hat. Und ich habe natürlich das Standardwerkzeug dabei, das das Unternehmen sich nicht angeeignet hat. Ich muss dann einfach sehr schnell und sehr gut analysieren und die Leute in die Lage versetzen, neue Muster zu etablieren.

Was ist der wichtigste Handlungsschwerpunkt, wenn ein Unternehmen in die Krise rutscht?

Liquidität, ganz klar. Ich blende jetzt mal die Sicherheit und Gesundheit von Menschen aus, das ist ja selbstverständlich. Für das Unternehmen geht es erst mal um Liquidität. Man weiss in der Krise nicht unbedingt, was die nächste Zeit passieren wird, aber man muss handlungsfähig sein und braucht sicher auch Geld, um Dinge neu zu machen. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, sofort alle Ausgaben zu stoppen, dieser Fehler wird gerne gemacht. Das erzeugt aber keinen Mittelzufluss, sondern verhindert nur den Abfluss. Liquidität sichern heisst Geldzufluss sichern, und meiner Erfahrung nach ist muss der erste Fokus auf rentable und stabile Kundenbeziehungen gelegt werden.

Abschließend gefragt: Machen Ihnen Krisen Spaß?

Nicht lustig sind sicherlich die Probleme und die negativen Folgen von Krisen. Aber wenn ich von einer anderen Seite herangehen: Ja, mir macht es Spaß, Krisen zu meistern.

Es geht für mich nicht darum, Krisen als notgedrungenes Übel irgendwie zu akzeptieren, sondern diese sogar zu begrüßen, da Krise Evolution und damit Leben an sich bedeutet.

Die Kernfrage für mich lautet also nicht, wie kommen wir weg von der Krise, weg von den Klippen, weg von der Gefahr, sondern: wie lernen wir es mit gutem Sicherheitsabstand in der Nähe der Krise uns zu bewegen?

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Firmen immer in einer Art aufmerksamen Unruhe sein müssen, um entwicklungsfähig zu sein.

Meine innere Haltung dafür lautet: Für mich ist immer Krise, und wenn ich keine sehe, dann erzeuge ich eine. Meiner Meinung nach sollte jedes Unternehmen die Krise suchen.

Herr Dr. Antonic, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Über Dr. Bodo Antonic

Dr. Bodo Antonic ist Geschäftsführer von die kontur GmbH mit Sitz in Luzern (Schweiz). Er ist seit zwanzig Jahren als Krisen- und Turnaroundmanager tätig, berät zu Fragen der Business Continuity, veröffentlicht und hält Vorträge zum Thema. Zuletzt steuerte er ein Kapitel zum Buch Hilgenstock / Richter / Gutowski, Business Transformation: Interim Manager berichten aus der Praxis bei (ISBN 978-3-9867400-9-2). Es trägt den Titel: So werden Menschen und Unternehmen resilient. Für ein Projekt in Österreich wurde Dr. Bodo Antonic dort als Interimmanager das Jahres 2023 ausgezeichnet.

Sein Wissen gibt Dr. Bodo Antonic auch im Rahmen von Vorträgen weiter.

Pressekontakt:

Auctority GmbH
Andreas Scheuermann
redaktion@auctority.net
Tel. +49 (0) 611 - 16 66 14 24