VDE Verb. der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik
VDE: Abnehmen per Funk durch Aktive Implantate?
Frankfurt/Main (ots)
- Neue Chancen in der Unfall-, Neuro- und Viszeralchirurgie durch aktive Implantate - 30 Prozent Kostenreduktion im Gesundheitswesen möglich
In der Elektro-, und Medizintechnik erreicht die Bundesrepublik im internationalen Vergleich Spitzenpositionen. Starke Impulse für alle Bereiche gehen von der Mikro- und Nanotechnologie aus. So ist auch in der Medizintechnik der Trend zur Miniaturisierung, zu funktionalen Oberflächen und zu neuen Materialien ungebrochen. Künftig werden funktionale Implantate immer häufiger mit Aktoren und Sensoren aus der Mikro- und Nanotechnik versehen sein, so der VDE. Das schafft zusätzliche Möglichkeiten in Diagnose und Therapie, weil die Bauteile funkgesteuert sind und ihr Verhalten auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden kann. So lassen sich Therapien individualisieren und damit ihre Wirksamkeit erhöhen. Zudem könnten gezielte Oberflächenstrukturen im Mikro- oder Nanobereich dazu führen, dass die Implantate eine bessere Bioverträglichkeit aufweisen. Unter dem Strich verbessern sich die therapeutische Führung des Patienten und seine Lebensqualität. Bei der Implantationschirurgie geht es wesentlich darum, durch neue Lösungen die chronischen Erkrankungen anzugehen, die etwa ein Drittel der Kosten im Gesundheitswesen ausmachen. Die Entwicklung führt dahin, dass die Medizintechnik zumindest zum Teil den Einsatz von Medikamenten überflüssig macht oder ihn sinnvoll ergänzt. Dies sind Ergebnisse des Positionspapiers "Funktionale Mikro-/Nanoimplantate", das der VDE am Mittwoch anlässlich der Medica in Düsseldorf vorstellte.
Implantate gegen Fettleibigkeit und Magersucht
Übergewicht und Fettleibigkeit auf der einen Seite, Essstörungen und Magersucht auf der anderen Seite - die Erkrankungen in beide Richtungen nehmen vor allem unter jungen Leuten in Deutschland deutlich zu. Implantate sollen deshalb in die funktionellen Störungen des Verdauungssystems eingreifen und hier gezielt Abhilfe schaffen. Die komplexen Wechselwirkungen ließen sich zum Beispiel hormonell steuern, wobei die Implantate eine Schrittmacherfunktion übernehmen könnten. Bei Übergewicht würde eine Stimulation erfolgen, die dem Patienten ein Sättigungsgefühl vermittelt.
In Fällen langjähriger Essstörung mit erheblicher Adipositas und erfolglosen Diätversuchen kann eine chirurgische Therapie mit einem Magenband helfen. Die Herausforderung liegt hier in der Schaffung "intelligenter Bänder", die durch Anpassung an die Nahrungsaufnahme die nicht seltenen Nebenwirkungen dieser Implantate vermindern. Die Beeinflussung elektrophysiologischer Abläufe im Verdauungstrakt durch sensorgesteuerte Stimulationsimplantate hilft die Schliessfunktion von Sphinkteren zu bessern und den Verdauuungsvorgang wieder zu rhythmisieren. Dadurch ergeben sich neue Ansätze zur Behandlung von ausgesprochenen "Volkskrankheiten" wie z.B. des chronischen Sodbrennes, der Obstipation und des Reizdarmes.
Elektrodenstimulation gegen die Schüttellähmung
In der Neurochirurgie geht es um neue Ansätze zur Behandlung von Parkinson. An dieser Krankheit, neben Alzheimer die wichtigste Ursache für Demenz, leiden allein in Deutschland 250.000 Betroffene. Die Krankheit beginnt meistens zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, aber auch junge Menschen sind zunehmend betroffen. Etwa 20.000 bis 30.000 Parkinson Patienten sind unter 40 Jahre alt.
Abhilfe leistet ein Therapiekonzept, das auf einem implantierten Stimulationssystem basiert und schwere Bewegungsstörungen behandelt. Eine Elektrodenimplantation im Thalamus führt bei bis zu 90 Prozent der Patienten zu einer sehr deutlichen Minderung oder dem völligen Verschwinden des Zitterns in der Körperhälfte, die der operierten Hirnhälfte gegenüberliegt. Die Muskelsteifigkeit kann leicht gebessert werden. Andere Parkinsonsymptome wie die Bewegungsverarmung, die Haltungsstörung oder die Gangveränderungen bleiben jedoch unbeeinflusst. Eine Elektrodenimplantation im Pallidum bezieungsweise im subthalamischen Kern führt bei bis zu 80 Prozent der Patienten zu einer deutlichen Minderung der Muskelsteifigkeit und Bewegungsverarmung in der Körperhälfte, die der operierten Hirnhälfte gegenüberliegt. Das Zittern wird in geringerem Ausmaß gebessert. Nahezu alle Patienten, die vor der Operation an Überbewegungen als Nebenwirkung der Medikamente gelitten haben, erfahren eine deutliche Linderung bis hin zum völligen Verschwinden. Insbesondere bei Eingriffen in beiden Hirnhälften kann darüber hinaus das Gehen und das Gleichgewicht verbessert werden. Weltweit werden derzeit etwa 20 000 Parkinson-Patienten mit Implantaten behandelt.
Unnötige Hüftoperationen vermeidbar
Jährlich erhalten in der Bundesrepublik etwa 150.000 Menschen ein künstliches Hüftgelenk. Doch die Lebensdauer des künstlichen Gelenks ist schwer vorhersagbar. Die aktuellen diagnostischen Methoden Röntgen und Szintigraphie können nicht exakt den Lockerungsgrad der Prothesen bestimmen. So führen Chirurgen circa 20.000 Revisionsoperationen im Jahr durch. Davon erweisen sich im statistischen Durchschnitt 2.000 Eingriffe als unnötig. Mit Hilfe von kleinsten Beschleunigungssensoren in Prothesen und Schwingungsanalyse ist es nun im Labor gelungen, auf den Lockerungszustand der Prothesen zurückzuschließen. Fernziel ist die Entwicklung eines selbständigen implantierbaren Tele-Monitorsystems zur Prothesenlockerung. Durch diese Methode könnte ein Qualitätssicherungssystem für Hüftprothesen aufgebaut werden, das ungünstige Systeme frühzeitig aussortiert, belastende Röntgenuntersuchungen spart und Wechseloperationen minimiert.
Sensoren werden zudem bei dem Ersatz von Hüft- oder Kniegelenken nicht nur darüber Auskunft geben, ob das neue Teil richtig positioniert ist, sondern auch wie es in die motorischen Abläufe passt. Daraus lassen sich Hinweise zum Beispiel darüber gewinnen, welche Muskelpartien gezielt trainiert werden sollen, um den Anpassungsprozess zu beschleunigen. Auf diese Weise können die "verlorenen" Zeiten bei Operationen, in denen die Funktion der entsprechenden Gelenke nicht zur Verfügung steht, deutlich verkürzt werden.
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