Wieviel Steiner kann die Waldorfschule heute verkraften?
Hamburg (ots)
Die Waldorfschulen müssen sich endgültig von der Lehre ihres Gründers Rudolf Steiner (1861 - 1925) distanzieren, wenn sie den Sprung in die Moderne schaffen wollen. Dies fordert der Tübinger Pädagogik-Wissenschaftler Klaus Prange in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT in einem Streitgespräch mit dem Generalsekretär des Bundes der Freien Waldorfschulen Walter Hiller. Zwar seien die in letzter Zeit immer wieder gegen die Waldorfpädagogik erhobenen Vorwürfe, rassistisches und antisemitisches Gedankengut zu verbreiten, wissenschaftlich unhaltbar, die gedankliche Nähe aber zu Rudolf Steiner und seiner Anthroposophie werde immer wieder Anlass zu Unterstellungen und Missverständnissen bieten. Die Anthroposophie sei "ein Stück Vormoderne, eine Lebens- und Denkform, die nicht mehr zeitgemäß ist. Da gibt es Elemente und manch wunderliche Äußerung bei Steiner, die nicht nur bei Eltern Kopfschütteln hervorrufen".
Walter Hiller wies dagegen auf die innovative Wirkung der Waldorfpädagogik auch für das staatliche Schulwesen hin. Seiner Meinung nach ist Steiner in seiner ganzen Modernität noch gar nicht überall verstanden worden. "Er propagiert doch radikal die Entfaltung der Individualität, verbunden mit der individuellen Freiheit gegenüber allen autoritären Führungsansprüchen, sei es bei den Parteien oder in der Wirtschaft oder sonst im öffentlichen Bereich."
Mit insgesamt fast 200 Schulen allein in Deutschland sind sie nach den konfessionellen Schulen die größte Privatschulbewegung. Gerade deshalb treffen die Schule in freier Trägerschaft die Kritik und Rassissmusvorwürfe besonders hart: "Einerseits werden wir ja von Politikern in Sonntagsreden gelobt, auch weil wir billiger sind als Staatsschulen und so das staatliche Schulwesen entlasten. Aber andererseits dreht man uns dann den Geldhahn zu, besonders in Zeiten wie diesen", so Hiller.
Diese Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 34/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 17. August 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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