Neue Gründerkultur erfordert neue Kultur der Pleite
Hamburg (ots)
Schätzungsweise jede zweite Firmengründung in Deutschland geht in den ersten drei Jahren Pleite. Mit dem Gründungsboom steigt auch die Zahl der Insolvenzen. Christiane Siegel von der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (GIB) in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT: "Wer eine Gründerkultur will, der braucht unbedingt eine neue Kultur der Pleite".
Während Existenzgründer durch Förderkredite und Beratungsangebote zum Schritt in die Selbstständigkeit ermutigt werden, lässt der Staat sie im Falle eines Scheiterns allein. Zwar gibt es eine neue Insolvenzordnung, die verhindern soll, dass die ehemaligen Selbstständigen ein Leben lang auf ihrem Schuldenberg sitzen bleiben; doch die hat noch erhebliche Mängel.
Jan Evers, Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) hat bei Kleinunternehmern in der Krise bislang nur zwei Strategien kennengelernt: verdrängen und verheimlichen. "Man muss die Unternehmer dazu bringen früher über ihre Probleme zu reden", sagt Evers gegenüber der ZEIT. Die Briten seien da schon auf dem richtigen Weg. Sie haben eine telefonische Hotline, die "Business Dept Line", eingerichtet, bei der keine Banker, sondern Sozialarbeiter am anderen Ende der Leitung sitzen. "80 Prozent der so betreuten Unternehmen sind nach drei Jahren noch am Markt", sagt Jan Evers. Die IFF geht davon aus, dass 30 Prozent der Konkurse durch Finanzierungsfehler verursacht werden, die Banken also oft nicht ganz unschuldig sind.
Eine zweite Chance bekommen gescheiterte Unternehmer in Deutschland selten. Das Problem liegt bei den Banken - ein Mitarbeiter, der einem gescheiterten Unternehmer erneut Kredit gewährt, bekommt Ärger mit seinem Arbeitgeber. Springt der Staat mit einer Finanzspritze ein, kriegt er Probleme mit den alten Gläubigern. Sobald Geld fließt, scharren die mit den Füßen. "Man müsste so eine Art Deal mit denen hinbekommen", sagt Evers, "passt auf, der Mann ist gut, wenn ihr jetzt ein paar Jahre stillhaltet, dann hat der bald genug Geld, um seine Schulden zurückzuzahlen." Das kann allerdings nur gelingen, wenn ein Umdenken einsetzt, wenn begriffen wird, dass Pleiten zum Alltag in einer Marktwirtschaft gehören.
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 35/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 24. August 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
Für Rückfragen steht Ihnen das Team der ZEIT-Presse- und Public Relations Elke Bunse (Tel. 040/ 3280-217, Fax -558, e-mail: bunse@zeit.de) und Victoria Johst (Tel. 040/3280-303, Fax-570, e-mail: johst@zeit.de) gern zur Verfügung.
Original-Content von: DIE ZEIT, übermittelt durch news aktuell