Ex-Bundeskanzler und ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt gegen Aufnahme der Türkei in die Europäische Union
Hamburg (ots)
Der ZEIT-Herausgeber Helmut Schmidt hat eine klare Grenzziehung für die Europäische Union des 21. Jahrhunderts gefordert. Die Entscheidung des Europäischen Rats in Helsinki vom Dezember 1999, die Türkei zum Beitrittskandidaten zu erklären, sei "ganz abwegig", schreibt der frühere Bundeskanzler in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT. Bei dem Text handelt es sich um einen Auszug aus Helmut Schmidts neuem Buch, "Die Selbstbehauptung Europas: Perspektiven für das 21. Jahrhundert", das demnächst bei der Deutschen Verlags-Anstalt in München erscheint.
Die heutige europäische Kultur enthalte "vielfältige und starke islamische Einflüsse", so der Altkanzler. Dennoch sei eine Integration der muslimischen Zuwanderer nach Europa "nirgendwo gelungen, am allerwenigsten in Deutschland", wo drei Millionen Menschen islamischen Glaubens lebten. Helmut Schmidt plädiert deshalb für eine "gemeinsame Begrenzung" der Zuwanderung durch die EU. Wegen der hohen türkischen Geburtenraten werde es "Ende des 21. Jahrhunderts so viele Türken geben wie Deutsche und Franzosen zusammen". Bei einer "massiven Zuwanderung", warnt Schmidt, "würde in der Folge mindestens die Freizügigkeit in der EU aufgehoben werden - möglicherweise ginge aber noch mehr zu Bruch".
Auch eine europäische Außenpolitik unter Einschluss der Türkei betrachtet Schmidt mit Skepsis. Wegen der gemeinsamen Grenzen mit Syrien, dem Irak, dem Iran und Armenien sei die Türkei "nahezu zwangsläufig ... indirekt an jedem künftigen Krieg im Mittleren Osten beteiligt".
Ablehnend äußert sich der ZEIT-Herausgeber auch zu Vorschlägen, die Ukraine, Weißrussland oder Russland in den Kreis der Kandidaten aufzunehmen. Insbesondere Russland stehe nach dem "selbstverschuldeten Zusammenbruch der Sowjetunion" nicht vor einem Wiederaufbau, sondern vor einem völligen "Neuaufbau". Deshalb, so Schmidt, müsse die EU sich davor hüten, "durch unüberlegtes Beitrittsgerede, zum Beispiel an die Adresse der Ukraine, diese Zukunft beeinflussen zu wollen".
Diese PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 41/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 05. September 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei. Der Wortlaut des ZEIT-Textes kann angefordert werden.
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