Helmut Schmidt zur Kritik Norbert Walters, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, am Euro
Hamburg (ots)
Vergangene Woche haben in der Welt nebeneinander ein Werbeberater und ein Volkswirt an die Adresse der Europäischen Zentralbank den gleichen Rat gerichtet, nämlich: weniger zu reden oder gar "notorisch zu schweigen". So weit, so gut. Noch besser wäre es gewesen, die beiden Autoren hätten auch geschwiegen.
Nun ist es der Beruf eines Werbeberaters, Ratschläge zu geben. Aber der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank sollte sich besser zurückhalten. Als leitender Manager eines der größten Finanzhäuser der Welt weiß er doch, dass seine eigene Firma mit ihren täglichen, ja minütlichen Operationen an den globalen Finanzmärkten schwergewichtig daran mitwirkt, den Euro "ins Gerede" zu bringen, wie Professor Norbert Walter beklagt. Er hat auch beklagt, dass der Euro "seit Monaten zur Schwäche neigt". Der Volkswirt weiß aber doch, dass lediglich der Wechselkurs heute schwächer ist als am 1. Januar 1999, dass aber keineswegs die Binnenkaufkraft des Euro von Madrid bis Helsinki geschwächt ist; vielmehr ist die Inflationsrate im internationalen Vergleich niedrig und stabil.
Noch vor zwei Jahren hat Professor Walter der Europäischen Zentralbank geraten, ihre Stabilitätsverpflichtung nicht auf den Dollar zu fixieren. Richtig! Die Stabilität der Binnenkaufkraft ist entscheidend. Die Stabilität des Wechselkurses dagegen ist eine Resultante des psychotischen Herdentriebes einiger Zehntausender von Dealern, Analysten und Fondsmanagern. Der Wechselkurs zwischen Dollar und Deutscher Mark (oder heute Euro) ist seit fast 30 Jahren niemals stabil gewesen, er wird auch künftig nicht stabil sein.
Die Deutsche Bank hat sich in den vergangenen Jahren vielfältig geirrt; die Liste der Fehlschläge ist lang: Schneider, Metallgesellschaft, Holzmann, Börsenfusion Frankfurt/London, Fusion Deutsche mit Dresdner Bank, Europa-Viertel in Frankfurt ("größtes Bauprojekt Europas"). Sie ist gleichwohl eine gute Bank. Nur ist sie natürlich Interessent, nicht aber ein guter Ratgeber für die Europäische Zentralbank.
PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 44/2000 mit Erstverkaufstagam Donnerstag, 26. Oktober 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei.
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