Karel Van Miert, früherer EU-Kommissar, wirft Europas Politikern Scheinheiligkeit und Realitätsverweigerung vor
Hamburg (ots)
Der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert wirft Europas Politikern Scheinheiligkeit und Realitätsverweigerung vor. In der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung DIE ZEIT kritisiert der Belgier, dass den Politikern in den Hauptstädten oft der Mut fehle, ihren Bürgern zu erklären, dass die Nationalstaaten in vielen Dingen nicht mehr allein entscheiden können. Auch liege es allein an den Regierungen, die bemängelte fehlende demokratische Legitimität der Brüsseler Kommission zu ändern. Miert: "Warum tun das die Regierungen nicht? Ich fürchte, man weil man es nicht will." Er beklagt zugleich, dass das öffentliche Bild eines zu strengen Brüssel von der Industrie bestimmt werde. Sie ist von Wettbewerbsentscheidungen der EU-Kommission am meisten betroffen.
Auch an den Brüsseler Institutionen hat der Politiker, von 1993 bis 1999 oberster Wettbewerbshüter der Gemeinschaft, viel zu beanstanden. Miert: "Mehr Transparenz ist notwendig. Nicht nur in der Kommission, wo es bisher möglich war, in undurchsichtigen Zirkeln zu arbeiten. sondern auch auf der Ebene des Ministerrats, dessen Treffen völlig ohne demokratische Kontrolle ablaufen." Und sogar im Europäischen Parlament gebe es allzu oft einen verschleierten Lobbyismus.
Karel Van Miert im ZEIT-Interview: "Die Europäische Union sollte künftig an der ehemaligen Sowjetgrenze aufhören, außer den baltischen Staaten, und an der Grenze zur Türkei. Diese Union muss schließlich noch funktionieren können." Größtes Hindernis dafür sei bereits heute das Einstimmigkeitsprinzip zwischen den Mitgliedsstaaten. Dies müsse mit der anstehenden Erweiterung der Union grundsätzlich geändert werden.
PRESSE-Vorabmeldung aus der ZEIT Nr. 45/2000 mit Erstverkaufstag am Donnerstag, 02. November 2000 ist unter Quellen-Nennung DIE ZEIT zur Veröffentlichung frei.
Für Rückfragen steht Ihnen das Team der ZEIT-Presse- und Public Relations Elke Bunse (Tel. 040/ 3280-217, Fax -558, e-mail: bunse@zeit.de) und Victoria Johst (Tel. 040/3280-303, Fax-570, e-mail: johst@zeit.de) gern zur Verfügung.
Original-Content von: DIE ZEIT, übermittelt durch news aktuell